Nerven eröffnen das Feuer |
16.02.2009 14:54 Uhr |
<typohead type="3">Neuropathischer Schmerz: Nerven eröffnen das Feuer
Krankheiten und Verletzungen können Nerven schädigen und zu neuropathischen Schmerzen führen. Zur Therapie eignen sich vor allem Antidepressiva, Antikonvulsiva und Opioide, wie Professor Dr. Claudia Sommer, Neurologin an der Universität Würzburg, berichtete.
Brennen, kribbeln, stechen – manchmal verursachen Nerven an sich Schmerzen, anstatt sie nur zur übermitteln oder zu verarbeiten. Meist gehe solchen neuropathischen Schmerzen eine Nervenschädigung voraus, berichtete Professor Dr. Claudia Sommer, Neurologin an der Universität Würzburg: »An der geschädigten Stelle zeigt der Nerv eine Spontanaktivität und sendet elektrische Impulse, die das Gehirn als Schmerz wahrnimmt.« Zudem setze das umliegende Gewebe, wenn es auch geschädigt sei, Entzündungsbotenstoffe frei, die den Nerv zusätzlich reizten. Mono- oder Polyneuropathien beträfen Nervenfasern außerhalb von Gehirn und Rückenmark und können eine ganze Reihe von Ursachen haben, darunter Diabetes, übermäßiger Alkoholkonsum, Gefäßentzündungen oder Aids. Zentrale neuropathische Schmerzen entstünden nach Schädigungen von Rückenmark oder Gehirn, etwa durch Schlaganfall, Querschnittslähmung oder Multipler Sklerose. Als »Sonderfälle« bezeichnete Sommer Phantomschmerzen nach Amputationen, Trigeminus- und andere Neuralgien sowie das komplexe regionale Schmerzsyndrom. Dabei entwickeln die Hände, obwohl sie nach einem Bruch längst geheilt sind, schmerzhafte Rötungen und Schwellungen.
»Zwar lassen sich Krankheiten, die einer Neuropathie zugrunde liegen, in der Regel nicht beseitigen«, sagte Sommer. »Doch stehen Therapien zur Verfügung, welche die Schmerzsymptome wirksam lindern.« Um die passendste auszuwählen, sei allerdings eine genaue Diagnose erforderlich. Diese umfasse die Patientengeschichte, Begleiterkrankungen und -therapien sowie die Charakterisierung des Schmerzes nach Art, Intensität und Häufigkeit.
Sommer unterteilte die Therapien in verschiedene Stufen. Den Anfang machen demnach nicht-medikamentöse Maßnahmen wie Krankengymnastik, geeignetes Schuhwerk, Akupunktur, Kälte- oder Wärmeanwendungen. »Doch allein stoßen diese Maßnahmen meist schnell an ihre Grenzen«, sagte Sommer. Unter den lokalen medikamentösen Therapien hob sie das Lokalanästhetikum Lidocain hervor. Denn es zeige klinischen Studien zufolge einen leichten Nutzen speziell bei neuropathischen Schmerzen infolge von Herpes-zoster-Infektionen.
Zur systemischen Therapie stellte Sommer Medikamente vor, deren Wirksamkeit in mehreren randomisierten klinischen Studien bewiesen ist und die deshalb als Mittel der ersten Wahl gelten. Dazu zählen in der Gruppe der Antidepressiva neben den Trizyklika die Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI). So verfüge Duloxetin bereits seit 2006 über eine Zulassung zum Einsatz bei diabetischer Polyneuropathie. »Am besten eignen sich Antidepressiva bei Patienten mit nächtlichen Neuropathien«, sagte Sommer. »Die Einnahme erfolgt abends, und zwar in geringeren Dosen als zur Behandlung einer Depression. Die schmerzlindernden und antidepressiven Wirkungen scheinen übrigens nicht zusammenzuhängen.« Die Dosierung der Antidepressiva erfolge einschleichend und unter genauer Beobachtung möglicher Nebenwirkungen, wie etwa einer übermäßigen Benommenheit.
Diese Vorsichtsmaßnahmen gelten auch beim Beginn der Therapie mit den Antikonvulsiva Gabapentin und Pregabalin. Vom Einsatz anderer Antikonvulsiva riet Sommer eher ab – mit einer Ausnahme: »Carbamazepin wirkt meist hervorragend gegen Trigeminus- und andere Neuralgien im Kopfbereich.«
Wenn ein Patient nicht ausreichend auf die bisher genannten Medikamente anspricht und dauerhaft unter neuropathischem Schmerz leidet, empfiehlt Sommer den Einsatz von Opioiden: »Das Vorurteil, sie wirkten nur im zentralen Nervensystem, gilt inzwischen als widerlegt. Vielmehr zeigen Studien, dass die ganze Gruppe der Opioide gegen periphere neuropathische Schmerzen zu helfen scheint.« Als Erstes sollten Ärzte einen schwachen Vertreter wie Tramadol erproben und bei unzureichender Wirkung zu stärkeren bis hin zum Fentanyl-Pflaster wechseln. Zudem biete es sich oft an, lokale und systemische Therapien zu kombinieren, ebenso wie Medikamente mit verschiedenen Wirkmechanismen. Grundsätzlich sollten Ärzte zwei bis vier Wochen nach Beginn jeder neuen Therapie die schmerzlindernde Wirkung mit Fragebögen oder ähnlichen Instrumenten überprüfen. Ziel sei meist eine Verbesserung der Lebensqualität und eine Schmerzverringerung um mindestens 30 Prozent.