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Post-Hospital-Syndrom

Wenn Krankenhaus krank macht

11.02.2013  22:46 Uhr

Von Ulrike Viegener / Ein Klinikaufenthalt erhöht das Risiko für ein ganzes Bündel an gesundheitlichen Störungen. Ein Artikel im »New England Journal of Medicine« lenkt das Augenmerk auf dieses – unterschätzte – Post-Hospital-Syndrom.

Post-Hospital-Syndrom: Der Begriff ist neu und in Ermanglung einer deutschen Übersetzung aus dem Amerikanischen übernommen. Worum geht es? Es geht um eine Vielzahl von Gesundheitsproblemen, die sich vor allem bei älteren Menschen während oder nach einem Krankenhausaufenthalt entwickeln können.

Nicht selten wird deshalb kurzfristig eine erneute Klinikeinweisung notwendig. Der Mediziner Dr. Harlan Krumholz von der Yale University School of Medicine in New Haven beschreibt das Post-Hospital-Syndrom als eine vorübergehende generelle Vulnerabilität (NEJM, 2013; 368: 100-102).

 

Neueinweisung innerhalb eines Monats

 

Die ersten dreißig Tage nach Klinikentlassung sind eine kritische Phase. Innerhalb dieses Zeitraums wird einer von fünf Patienten erneut ins Krankenhaus eingewiesen, wobei der Grund in den wenigsten Fällen derselbe ist wie bei der Ersteinweisung. Bei Patienten, die ursprünglich wegen Herzinsuffizienz, Pneumonie beziehungsweise chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) aufgenommen wurden, waren Erst- und Zweitdiagnose nur in 37, 29 respektive 36 Prozent der Fälle identisch. Diese Daten wurden durch eine Analyse von 2,6 Millionen bei Medicare erfassten Patientendaten gewonnen. Medicare ist in den USA die staatliche Versicherung für Menschen ab 65 Jahren.

 

In den meisten Fällen machen völlig neue gesundheitliche Probleme die erneute Klinikeinweisung erforderlich. Das Spektrum der neuen Diagnosen ist breit gefächert: Herzinsuffizienz, Pneumonie, COPD, Infektionen, nicht infektiöse Magen-Darm-Erkrankungen, metabolische Störungen, kognitive und psychische Störungen bis hin zu Traumata. Wie lässt sich diese generalisierte Vulnerabilität erklären? Zwei Dinge kommen hier zusammen: Zum einen befindet sich der Patient in der Rekonvaleszenz, besitzt also nicht seine volle Widerstandsfähigkeit. Zum anderen wird der Patient in der Klinik einer Vielzahl von Störeinflüssen ausgesetzt.

 

Viele Stressoren

 

Ein Krankenhausaufenthalt bedeutet erheblichen Stress. Krumholz zählt folgende Stressoren auf: Schlafmangel und Schlafstörung, Störung der zirkadianen Rhythmik, Bettlägrigkeit, Bewegungsmangel, Schmerzen und andere Beschwerden. Zudem kann es zu Nebenwirkungen der Medikation sowie kognitivem und psychischen Stress kommen.

 

Dass diese Stressoren, und zwar meist mehrere auf einmal, tatsächlich relevant sind, zeigen diverse Studien. So wurde zum Beispiel gezeigt, dass Patienten im Krankenhaus weniger erholsame Tiefschlafphasen durchlaufen, und auch die Gesamtschlafdauer sehr häufig reduziert ist.

 

Hinzu kommt der ungewohnte Tagesrhythmus. Die Abläufe in einer Klinik sind danach ausgerichtet, dass ein festgelegter Zeitplan möglichst störungsfrei eingehalten wird. Die Bedürfnisse der Patienten finden dabei keine Berücksichtigung. Die sehr frühen Weckzeiten zum Beispiel bringen die zirkadiane Rhythmik der meisten Patienten durcheinander. Solche Eingriffe in Schlafdauer, Schlafarchitektur und Schlaf-Wach-Rhythmus können, so betont Krumholz, eine Vielzahl von Störungen nach sich ziehen: metabolische Störungen, kognitive Einbußen, psychische Probleme. Auch Immunsystem und Herz-Kreislauf können darunter leiden.

 

Defizite bei der Ernährung können ebenfalls weitreichende Konsequenzen haben und nahezu jedes Organsystem beeinträchtigen. In einer zitierten Studie wurde bei hospitalisierten älteren Menschen in 20 Prozent der Fälle eine kalorische Unterversorgung von weniger als 50 Prozent des Bedarfs festgestellt.

 

Und ein weiteres großes Problem ist schließlich der vielschichtige psychische beziehungsweise kongnitive Stress im Krankhaus. Die Krankheit per se, Angst vor Diagnose und operativem Eingriff, die ungewohnte Umgebung, die vielen fremden Menschen, die Fülle von Informationen – das alles sind Stressfaktoren, die leicht zu einer Überforderung führen können. Desorientierung und psychische Probleme bis hin zu deliranten Zuständen können die Folge sein.

 

In puncto Post-Hospital-Syndrom müsse sich beim Klinikpersonal erst noch ein Problembewusstsein entwickeln, konstatiert Krumholz und fordert, dass bei der Entlassung vor allem von älteren Menschen in Zukunft immer das Augenmerk nicht allein auf den Einlieferungsgrund, sondern auch auf mögliche weitere Störungen gerichtet werden sollte. Außerdem sollte der Versuch unternommen werden, die vielfältigen Stressoren im Krankenhaus auf ein absolutes Minimum zu reduzieren. /

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