Teils wenig Evidenz |
05.02.2014 11:21 Uhr |
Von Annette Mende / Die Datenlage zu neuen Arzneistoffen ist bei deren Markteinführung zum Teil noch sehr dünn. Das belegen US-Wissenschaftler im Fachjournal »JAMA« mit einer Analyse zulassungsrelevanter Studien. Sie befürworten eine Kennzeichnung der Neulinge nach Grad der Evidenz, um Ärzten die Beurteilung zu erleichtern.
Die Evidenz für die Zulassung neuer Arzneistoffe unterscheidet sich je nach Indikation stark. Dieses Ergebnis einer »JAMA«-Publikation unterstreicht die eigentlich bekannte Tatsache, dass mit der Zulassung eines Arzneimittels dessen pharmazeutische Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit belegt sind – mehr aber nicht. Insbesondere fehlen häufig vergleichende Studien mit anderen, bereits verfügbaren Medikamenten, da die Zulassungsbehörden solche Daten nicht grundsätzlich fordern. Welchen Stellenwert eine neue Therapieoption in der klinischen Praxis hat, ist somit unmittelbar nach der Markteinführung oft nur schwer zu beurteilen, schreiben die Autoren um Nicholas S. Downing von der Yale University (doi: 10.1001/jama.2013.282034).
Das Team untersuchte die Zulassungsstudien sämtlicher 188 neuer Arzneistoffe, die in den USA von 2005 bis 2012 auf den Markt kamen. Im Schnitt hatten die Hersteller pro Indikation zwei Studien vorgelegt. In etwas mehr als einem Drittel der Fälle (37 Prozent) bildete allerdings nur eine einzige Studie die Basis für die Zulassung, darunter waren nahezu alle beschleunigten Zulassungsverfahren. Surrogatendpunkte, die zwar auf einen klinischen Nutzen für die Patienten hinweisen, diesen aber nicht endgültig belegen, wurden in fast der Hälfte der Studien (45 Prozent) herangezogen. Die Beobachtungszeit betrug im Median 14 Wochen, lediglich ein Viertel der Studien dauerte länger als sechs Monate. Auch Arzneistoffe zur Behandlung chronischer Erkrankungen wurden in der Mehrheit der Fälle weniger als ein Jahr lang geprüft.
Die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA fordert in ihren Richtlinien, dass Hersteller die Wirksamkeit eines neuen Präparats mittels »angemessener und gut kontrollierter Untersuchungen« belegen. Dazu sollen in der Regel zwei voneinander unabhängige Studien eingereicht werden. Unter bestimmten Umständen erkennt die FDA aber auch eine einzige Studie als ausreichend an.
Von dieser Flexibilität können vor allem Patienten mit Erkrankungen profitieren, gegen die es bislang keine oder nur unbefriedigende Therapieoptionen gibt. Sie führt allerdings auch dazu, dass das Wissen über Wirksamkeit und Risiken eines neuen Medikaments von Fall zu Fall stark variiert, betonen die Autoren. Ähnlich äußerte sich bereits vor einiger Zeit der Onkologe Professor Dr. Wolf-Dieter Ludwig, Vorsitzender der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ), in einem PZ-Interview (Neue Krebsmedikamente: Wir wissen definitiv zu wenig, PZ 21/2012, Seite 6).
Für Downing und Kollegen belegt das Ergebnis ihrer Untersuchung, wie wichtig es ist, Sicherheit und Nutzen insbesondere neuer Arzneistoffe dauerhaft zu überwachen und das Ergebnis dieser Überprüfung Ärzten und Patienten mitzuteilen. Sie begrüßen einen Vorschlag des unabhängigen Institute of Medicine, wonach das Nutzen-Risiko-Profil jedes Arzneistoffs in einem ständig zu aktualisierenden Dokument zusammengefasst werden soll. Alternativ könne die FDA auch in einem Statement oder einer Art Schulnote die Qualität der Evidenz von Neuzulassungen bewerten. Das würde vermutlich einigen Herstellern nicht schmecken, wäre aber eine wichtige Entscheidungshilfe für Ärzte in der Klinik.
Auch für Europa ein Modell?
»Ich halte die Arbeit für extrem wichtig, allerdings belegt sie erneut Zustände, die schon lange bekannt sind«, kommentierte der AkdÄ-Vorsitzende Ludwig gegenüber der PZ. Vor allem in der Onkologie basierten Neuzulassungen häufig nur auf einer einzigen Studie mit relativ kurzer Dauer und kleinen Patientenzahlen. Eine regelmäßig zu aktualisierende Zusammenfassung aller Daten zu Wirksamkeit und Risiken jedes Arzneistoffs in einem zentralen Dokument würde er begrüßen. »Ob man das bei der EMA im Augenblick umsetzen kann, wage ich aber zu bezweifeln.«
Eine Benotung neuer Arzneimittel finde dagegen zumindest in Deutschland bereits statt: »Nichts anderes ist die frühe Nutzenbewertung nach AMNOG«, so Ludwig. Diese sei nicht nur ein Instrument zur Preisregulierung, sondern diene auch dazu, eine bessere Transparenz zum tatsächlichen Nutzen neuer Arzneimittel zu erzeugen. /