EU-Kommission startet Vertragsverletzungsverfahren |
08.04.2008 16:59 Uhr |
<typohead type="3">EU-Kommission startet Vertragsverletzungsverfahren
Von Daniel Rücker
Die EU-Kommission stört sich am deutschen Mehrbesitzverbot für Apotheken. Sie hat deshalb ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet. Auf den Wirtschaftseiten deutscher Zeitungen wird dieser Schritt gefeiert. Die tatsächliche Bedeutung erscheint jedoch überschaubar.
Der für den Binnenmarkt zuständige EU-Kommissar Charly McCreevy will offensichtlich das Mehrbesitzverbot kippen. Er hat deshalb ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik eingeleitet. Die Bundesregierung hat deshalb in der vergangenen Woche Post aus Brüssel bekommen. In einem sogenannten »Letter of Formal Notice« wird die Regierung aufgefordert, der Kommission zu erklären, warum ein deutscher Apotheker nur eine Hauptapotheke und maximal drei Filialen betreiben darf. McCreevy vermutet darin einen Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht.
Für große überregionale Tageszeitungen ist das aufgenommene Vertragsverletzungsverfahren ein weiteres Indiz für eine baldige und dringend notwendige Deregulierung. Die »Frankfurter Allgemeine Zeitung« hält den deutschen Apothekenmarkt für verbarrikadiert und die Schützenhilfe der Kommission für den EuGH für wichtig - als ob Richter danach lechzten, dass ihnen Politiker beiseite springen.
Dabei kann die Bedeutung des Vertragsverletzungsverfahrens zum Mehrbesitz schnell überschätzt werden. Gerade erst eingeleitet, dürfte es sich weitaus länger hinziehen als das für Ende 2008, Anfang 2009 erwartete Urteil des EuGH zum Fremdbesitz.
Wie die Luxemburger Richter entscheiden werden, ist weiter völlig offen. Zwar verkünden Politiker wie der saarländische EU-Parlamentarierer Jorgo Chatzimarkakis (FDP) oder die Grüne Biggi Bender immer wieder, die Entscheidung des EuGH sei längst gefallen, doch teilen Juristen diese Einschätzung nicht.
Bedeutung ist überschaubar
Sicher sind sich viele Experten dagegen, dass der Fall des Fremdbesitzverbotes auch das baldige Ende des Mehrbesitzes bedeuten würde. Umgekehrt dürfte bei einer Bestätigung des Fremdbesitzverbotes wohl auch das Mehrbesitzverbot unangetastet bleiben. Wäre die eine Regelung aus Gründen des Verbraucherschutzes angemessen, gelte dies für die andere Regelung wohl auch. Deshalb erscheint die Spekulation der »Süddeutschen Zeitung« wenig wahrscheinlich. Die Zeitung vermutet, die EU-Kommission wolle so verhindern, dass die Bundesregierung bei einer für die Apotheker negativen EuGH-Entscheidung nur den Fremdbesitz, aber nicht den Mehrbesitz erlauben werde. Wenn Fremdbesitz nicht aus Gründen des Gesundheitsschutzes zu verhindern ist, dann ist es aber der Mehrbesitz wohl auch nicht. Die Bedeutung des nun eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahrens ist überschaubar.
Mit seinem »Letter of Formal Notice« hat McCreevy immerhin das Thema zur Freude mancher, die gerne Apotheken betreiben würden, in die Öffentlichkeit gebracht. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Jens Spahn forderte die Apotheken in der FAZ postwendend auf, »das Thema im Interesse der freiberuflichen Apotheker nicht totzuschweigen«.
Flankiert wird die Eröffnung des Vertragsverletzungsverfahrens von einer Studie der EU-Kommission zur Effizienz im Apothekenmarkt. Darin kommt die Kommission, wie schon in früheren Studien, zu dem Schluss, dass Regulierungen die Effizienz behindern. Wobei zumindest in früheren Untersuchungen so zweifelhafte Parameter wie die Zahl der abgegebenen Packungen in Relation zu der Zahl der Apothekenangestellten oder Distributionskosten zur Ermittelung der Effizienz herangezogen wurden. Danach wäre ein Apotheker, der seine Patienten von der Einnahme unnötiger oder ungeeigneter Medikamente abrät, grundsätzlich ineffizienter als sein Kollege, der einem Patienten unnötige Medikamente aufschwätzt.
Die Studie wird aber wohl nicht verhindern können, dass die Entscheidung über das deutsche Fremd- und Mehrbesitzverbot in Luxemburg und nicht in Brüssel fallen. Eine erste Tendenz, in welche Richtung das Urteil geht, dürfte der für Spätsommer/Herbst anstehende Schlussantrag des EuGH-Generalanwaltes offenbaren. Davor wird es wahrscheinlich noch eine mündliche Verhandlung geben. Einen Termin dafür gibt es jedoch noch nicht. Als wahrscheinlich gilt ein Termin im Mai oder Juni dieses Jahres.