Trümpfe häufiger ausspielen |
28.01.2015 10:15 Uhr |
Apotheker sollten häufiger als bisher Pharmazeutische Bedenken äußern, um die Umstellung eines Patienten von einem verordneten Präparat auf ein Rabattarzneimittel zu verhindern. Das forderte Professor Dr. Rolf Daniels von der Universität Tübingen.
Als Pharmazeutischer Technologe stellte Daniels nicht die häufig geäußerten Bedenken hinsichtlich der Compliance der Patienten in den Mittelpunkt seines Vortrags, sondern Unterschiede in der Galenik. So sei durch die Zulassung zwar sichergestellt, dass sich ein Generikum vom entsprechenden Original-Präparat nicht nennenswert unterscheidet. »Dass zwei wirkstoffgleiche Generika untereinander austauschbar sind, ist damit aber nicht unbedingt gewährleistet«, sagte Daniels.
Große Spanne bei der Bioäquivalenz
Ein Ass im Ärmel zu haben, ist immer gut. Um zu punkten, muss ein Trumpf aber auch ausgespielt werden.
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In Bioäquivalenzstudien mit gesunden Freiwilligen müsste der Hersteller eines Generikums nachweisen, dass die 90-Prozent-Konfidenzintervalle von Cmax und AUC seines Produkts im Streubereich von 80 bis 125 Prozent des Original-Präparats liegen. Wenn aber ein Generikum am oberen und eines am unteren Rand dieser Spanne lägen, sei deren Bioäquivalenz nicht gegeben.Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) habe zwar zumindest für Arzneimittel mit geringer therapeutischer Breite die zulässige Abweichung auf 90 bis 111,11 Prozent verkleinert. Für bereits zugelassene Präparate gelte diese Verschärfung allerdings nicht.
Neben der unter Umständen fraglichen Bioäquivalenz stellen auch unterschiedliche Freisetzungskinetiken bei retardierten oder magensaftresistent überzogenen Kapseln oder Tabletten den Therapieerfolg infrage. Bei topischen Arzneiformen hat eine Vereinheitlichung der Nomenklatur dazu geführt, dass Öl-in-Wasser- und Wasser-in-Öl-Cremes als austauschbar eingestuft werden können, was sie de facto überhaupt nicht sind.
Auch Schmerzpflaster können laut Daniels Probleme bereiten. Präparate verschiedener Hersteller wiesen bisweilen eine deutlich unterschiedliche Pharmakokinetik auf, aus der abweichende Plasmaspiegel des Wirkstoffs resultieren können, sagte Daniels. Hinzu kämen divergierende Haftungseigenschaften der Pflaster sowie das Risiko von Kontaktdermatiden oder Allergien. An dieser Stelle sei es immer sinnvoll, Pharmazeutische Bedenken in Erwägung zu ziehen.
Dasselbe gilt für Asthmasprays und Pulverinhalatoren. »Das sind kritische Applikationsformen«, sagte Daniels. Es gebe unterschiedliche Systeme, mit unterschiedlicher Anwendung. Der Wechsel des Systems berge die Gefahr von Anwendungsfehlern und sollte deshalb vermieden werden. Die Handhabung von Insulinpens bezeichnete der Technologe zwar als in der Regel unkompliziert, dennoch komme es auch hier zu Fehlern. Der Austausch sollte deshalb nur dann erfolgen, wenn sich der Apotheker zweifelsfrei davon überzeugt hat, dass der Patient das neue Produkt sicher bedienen kann.
Joker im Apotheken-Schafskopf
Daniels verglich die Belieferung eines Rezepts über ein rabattiertes Arzneimittel mit dem Kartenspiel Schafskopf: Komme ein Kunde mit seiner Karte – dem Rezept – in die Apotheke, sei nicht gesagt, was er am Ende dafür erhalten werde. Die Krankenkassen hätten mit den Rabattverträgen zwar einen relativ hohen Trumpf auf der Hand. Durch Ausspielen des Jokers »Pharmazeutische Bedenken« könnten Apotheker aber verhindern, dass allzu viele Stiche an die Kasse gingen. Am Ende gehe es immer um das Patientenwohl: »Das Gebot der Wirtschaftlichkeit ist ein notwendiges Muss, um auch zukünftig möglichst vielen Patienten eine adäquate Pharmakotherapie zu ermöglichen. Das Gebot ist aber dann zu verlassen, wenn die Arzneimitteltherapiesicherheit nicht mehr hinreichend gegeben ist.«