Polymedikation nicht per se risikobehaftet |
28.01.2014 09:56 Uhr |
Von Kerstin A. Gräfe / Britische Wissenschaftler widersprechen der häufig kolportierten Annahme, dass mit der Zahl der verordneten Medikamente gleichzeitig das Risiko für den Patienten steigt.
In einer Studie im »British Journal of Clinical Pharmacology« konnte ein Team um Dr. Rupert A. Payne von der Universität Cambridge nachweisen, dass die Wahrscheinlichkeit für eine ungeplante Klinikeinweisung gravierend davon abhängt, ob die Betroffen aufgrund nur einer oder mehrerer Grunderkrankungen polytherapiert werden (doi: 10.1111/bcp.12292).
Laut Definition der Weltgesundheitsorganisation WHO spricht man von einer Polymedikation, wenn mehr als fünf Medikamente gleichzeitig verordnet werden. Unbestritten ist, dass sich mit zunehmender Zahl der eingenommenen Arzneimittel das Risiko für Wechselwirkungen und Nebenwirkungen erhöht. Das hat jedoch nicht automatisch eine Zunahme an ungeplanten Krankenhauseinweisungen zur Folge, wie die Untersuchung deutlich macht.
Die Forscher untersuchten Daten von mehr als 180 000 chronisch kranken Patienten in Schottland. Zwar korrelierte auch in dieser Studie eine Polymedikation mit einer Zunahme an ungeplanten Klinikeinweisungen. So war die Wahrscheinlichkeit bei Patienten, die vier bis sechs Medikamente regelmäßig einnahmen, im Vergleich zu denen, die nur ein bis drei verschiedene Arzneimittel dauerhaft anwendeten, um den Faktor 1,25 erhöht. Ab zehn Arzneimitteln fanden die Forscher gar eine Erhöhung um den Faktor 3,42. Diese Verhältnisse galten allerdings lediglich für Patienten mit nur einer Erkrankung. Nahmen dagegen Patienten mit mehreren Komorbiditäten vier bis sechs Präparate ein, war im Vergleich zu denen, die nur ein bis drei Arzneimittel erhielten, das Risiko für eine Einweisung nicht erhöht. Selbst die Einnahme von zehn oder noch mehr verschiedenen Medikamenten hatte in diesem Fall nur ein 1,5-fach erhöhtes Risiko zur Folge.
Auch Unterversorgung birgt Risken
Bei Patienten mit multiplen Erkrankungen ist nur die extremste Form der Polymedikation mit einem Anstieg ungeplanter Klinikeinweisungen assoziiert, schlussfolgern die Autoren. Die Annahme, Polymedikation sei per se riskant und mit schlechter Versorgungsqualität gleichzusetzen, greife daher zu kurz. Die Untersuchung verdeutliche, dass es ein Optimum an verordneten Arzneimitteln gibt, das von der Anzahl der Grunderkrankungen abhängt. Im Klartext: Solange für jedes Arzneimittel eine Indikation vorliegt, ist eine Polymedikation sinnvoll und nicht mit mehr Risiken verbunden. Nicht zu vergessen sei darüber hinaus, dass auch eine Untervorsorgung Risiken berge, so die Autoren. /