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Bevacizumab bei Brustkrebs

Suche nach neuer Indikation

31.01.2012  16:40 Uhr

Von Annette Mende / Gerade erst hat Bevacizumab in den USA die Zulassung in der Indikation metastasierter Brustkrebs verloren. Jetzt zeigen neue Studienergebnisse, dass sich ein Einsatz des Wirkstoffs in der neoadjuvanten Therapie des Mammakarzinoms lohnen könnte.

Als Angiogenesehemmer blockiert Bevacizumab (Avastin®) den Wachstumsfaktor VEGF und hemmt so das Wachstum und die Metastasierung solider Tumoren. Ursprünglich zur Therapie des metastasierten Kolorektalkarzinoms zugelassen, erhielt der Wirkstoff seit seiner Markteinführung im Jahr 2005 mehrere Indikationserweiterungen und ist in Deutschland mittlerweile auch zugelassen zur Therapie von metastasierten Bronchial-, Nierenzell- und Mammakarzinomen. Erst kürzlich erhielt er die Zulassung für die fünfte Tumorentität: Eierstockkrebs (siehe dazu Kasten).

Bevacizumab gegen Eierstockkrebs

PZ / Bevacizumab (Avastin®) kann seit Kurzem zur Primärtherapie von Frauen mit fortgeschrittenem Ovarialkarzinom eingesetzt werden. Die europäische Zulassungsbehörde EMA erteilte die Indikationserweiterung im Dezember letzten Jahres. Der monoklonale Antikörper wird in Kombination mit einer Standardchemotherapie (Carboplatin und Paclitaxel) eingesetzt. Die Behandlung besteht aus bis zu sechs Zyklen über eine Höchstdauer von 15 Monaten. Alle drei Wochen werden 15 Milligramm Bevacizumab pro Kilogramm Körpergewicht intravenös infundiert.

 

Zulassungsrelevant waren die Daten der Phase-III-Studien GOG-0218 und ICON7. Durch die initiale und kontinuierliche Gabe des Angiogenesehemmers lebten die betroffenen Patientinnen im Vergleich zum bisherigen Therapiestandard signifikant länger ohne Tumorprogression.

In den USA entzog die Arzneimittelbehörde FDA Bevacizumab Ende November 2011 die Zulassung in der Indikation Brustkrebs. Eine Gutachterkommission hatte diesen Schritt empfohlen, da sie den Nutzen der Therapie mit Bevacizumab für Frauen mit metastasiertem Brustkrebs als nicht belegt einstufte. Fast gleichzeitig erweiterte diesseits des Atlantiks die europäische Arzneimittelbehörde EMA den Einsatz des Wirkstoffs in der Brustkrebstherapie. Zu den unterschiedlichen Bewertungen kam es, weil die EMA das progressionsfreie Überleben als Surrogatparameter für den Nutzen der Therapie gelten ließ, die FDA jedoch nicht (lesen Sie dazu auch Bevacizumab bei Brustkrebs: Nutzen oder nicht – das ist die Frage, PZ 28/2011).

Nun zeichnet sich ein neues mögliches Einsatzgebiet für Bevacizumab in der Behandlung des Mammakarzinoms ab: die neoadjuvante Chemotherapie. Diese hat zum Ziel, den Tumor vor einer Operation so weit zu verkleinern, dass die Brust bei der anschließenden OP erhalten werden kann. Mitunter bildet sich der Tumor durch die neoadjuvante Chemotherapie auch schon ganz zurück und bei der pathologischen Untersuchung des entfernten Gewebes sind keine Tumorzellen mehr auffindbar. In diesen Fällen spricht man von einer kompletten pathologischen Remission (pCR). Sie gilt als ein möglicher Hinweis auf eine gute Langzeitprognose der betroffenen Patientinnen, wird aber von Experten nicht als Surrogatparameter für die Wirksamkeit der Therapie anerkannt.

 

In zwei Studien im aktuellen »New England Journal of Medicine« erhöhte sich durch die Hinzunahme von Bevacizumab zu einer neoadjuvanten Chemotherapie der Anteil der Frauen signifikant, die nach der Behandlung eine pCR erreichten. Kombinationspartner des Angiogenesehemmers waren in einem Fall Docetaxel (allein oder mit Capecitabin oder Gemcitabin) und in anderem Fall Epirubicin, Cyclophosphamid und Docetaxel (doi: 10.1056/NEJMoa1111065 beziehungsweise 10.1056/NEJMoa1111097). An der Finanzierung beider Untersuchungen war Avastin-Hersteller Roche beteiligt.

 

In der ersten Studie betrug der Anteil der Patientinnen mit pCR nach neoadjuvanter Therapie mit Bevacizumab 34,5 Prozent und damit 6,3 Prozentpunkte mehr als nach Behandlung mit einem Bevacizumab-freien Regime (28,2 Prozent). Das Kriterium »pCR« war hier erfüllt, wenn die Brust tumorfrei war. Die Autoren der zweiten Studie definierten die komplette pathologische Remission strenger, hier mussten neben der Brust auch die angrenzenden Lymphknoten der Achsel tumorfrei sein. In ihrer Untersuchung betrug die pCR-Rate mit Bevacizumab 18,4 Prozent und ohne 14,9 Prozent (3,5 Prozentpunkte weniger). Legte man diese strengere Definition des pCR zugrunde, waren die in der ersten Studie beobachteten Unterschiede nicht mehr statistisch signifikant.

Diese Ergebnisse sind ein erster Hinweis darauf, dass Bevacizumab möglicherweise zur neoadjuvanten Chemotherapie bei Brustkrebs eingesetzt werden könnte. Allerdings waren die Studien nicht darauf ausgelegt, einen Langzeitnutzen für die Patientinnen zu zeigen. Genau diesen Langzeitnutzen, ausgedrückt in einer Verlängerung des Gesamtüberlebens, hatten aber die FDA-Experten schon bei der Diskussion um den Widerruf der Zulassung von Bevacizumab zur Therapie des metastasierten Mammakarzinoms vermisst.

 

Kann auch durch weitere Studien kein Einfluss auf die Länge des Gesamtüberlebens gezeigt werden, ist fraglich, ob der Wirkstoff eine US-Zulassung zur neoadjuvanten Brustkrebstherapie erhalten wird. Sollte sich jedoch herausstellen, dass Surrogatparameter wie das progressionsfreie Überleben bei metastasiertem Brustkrebs oder die komplette pathologische Remission nach neoadjuvanter Therapie einen Überlebensvorteil für die Patientinnen bedeuten, wird die FDA für ihre Entscheidung aus dem November in die Kritik geraten.

 

Derzeit ist unklar, ob der Nutzen der neoadjuvanten Bevacizumab-Therapie, der sich aus den jetzt präsentierten Studienergebnissen ableiten lässt, ihre Nachteile überwiegt. Zu Letzteren zählen sowohl die beträchtlichen Behandlungs-Kosten als auch die Nebenwirkungen. In beiden aktuellen Studien waren bei den Bevacizumab-behandelten Frauen höhere Raten an Bluthochdruck, Entzündungen der Mundschleimhaut und Hand-Fuß-Syndrom zu beobachten als bei den Patientinnen, die ein Bevacizumab-freies Regime erhalten hatten. Zudem ergab sich kein Hinweis, dass Bevacizumab die Rate der brusterhaltenden Operationen steigern könnte. /

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