Nur noch selten ohne Zulassung |
24.01.2017 14:30 Uhr |
Allergikern kann in vielen Fällen eine spezifische Immuntherapie helfen. Die dafür benötigten Therapieallergene wurden lange überwiegend als Individualrezepturen in den Verkehr gebracht und daher kaum kontrolliert. Das hat sich mittlerweile geändert.
Der Markt für Hyposensibilisierungspräparate war lange extrem unübersichtlich. »Im Jahr 2008 waren in Deutschland 26 verschiedene Einzelpräparate aus Birkenpollen auf dem Markt, davon nur sechs mit Zulassung«, berichtete Professor Dr. Stefan Vieths, Vizepräsident des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI). Eine mangelnde Nachfrage konnte nicht der Grund für diesen Missstand sein. Die Prävalenz der Birkenpollenallergie liege in Deutschland bei etwa 10 Prozent, »damit sollte die Durchführung klinischer Prüfungen eigentlich möglich sein«, so Vieths.
Einige Hersteller hätten über die Individualrezepturen das aufwendige Zulassungsverfahren umgehen wollen. Das sei jedoch nicht der Sinn individueller Rezepturen, betonte Vieths. Vielmehr sollten diese eine Therapieoption für Patienten mit sehr seltenen Allergien sein, für die es kein zugelassenes Allergenprodukt gibt.
Neuregelung im Jahr 2008
Jeder zehnte Deutsche ist gegen Birkenpollen allergisch. Aufgrund der Häufigkeit der Allergie gilt für entsprechende Therapieallergene mittlerweile eine Zulassungspflicht.
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Der Gesetzgeber erließ daher 2008 die Therapieallergene-Verordnung. Seitdem müssen alle Präparate, die häufige Allergenquellen enthalten, in Deutschland zugelassen und dabei auf Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit überprüft werden. Das betrifft Pollen von Süßgräsern, Birke, Erle und Hasel, Hausstaubmilben, Bienen- und Wespengift. »Echte« individuelle Rezepturen, die für einzelne Patienten mit seltener vorkommenden Allergenen hergestellt werden, seien aber weiterhin von der Zulassungspflicht ausgenommen, so Vieths.
Innerhalb von sechs Monaten nach Inkrafttreten der Verordnung mussten die Hersteller eine Zulassung beim PEI beantragen, ansonsten durften sie ihre Präparate für bereits laufende Therapien nur noch zwei Jahre verwenden. Danach wurden diese vom Markt genommen. »Mittlerweile sind also nur noch Therapieallergene verkehrsfähig, für die ein Zulassungsantrag eingereicht wurde«, sagte Vieths. Aktuell befänden sich insgesamt 86 Produkte im Zulassungsverfahren. Übergangsfristen konnten für die Hersteller auf bis zu sieben Jahre ausgeweitet werden, um Daten zur Qualität, Wirksamkeit und Sicherheit zu generieren.
Inzwischen habe man einige erforderliche regulatorische Dokumente für die Qualität der Allergenpräparate etabliert, so Vieths. Anforderungen an die Qualität von Therapieallergenen sind etwa in einer Richtlinie der europäischen Arzneimittelbehörde EMA aufgeführt. »Klinische Studien zum Wirksamkeitsnachweis sind jedoch aufwendig und langwierig und klinische Effekte schwierig zu dokumentieren«, sagte Vieths. Ein Grund dafür sei, dass der pharmakologische Mechanismus der spezifischen Immuntherapie nicht vollständig bekannt ist. Zudem gebe es keine geeigneten Surrogatparameter, um die Wirksamkeit abzubilden. Die Therapieeffekte könnten nur bei Allergenexposition bewertet werden: über eine Abnahme der Allergie-Symptome beziehungsweise über eine Reduktion des Medikamenten-Gebrauchs. »Allgemein akzeptierte und validierte Endpunkte wären hier hilfreich und wünschenswert«, sagte Vieths.
Risiko Grunderkrankung
Relativ gut bewerten lassen sich laut Vieths dagegen die Risiken von Therapieallergenen. »Ein Risiko bei der Anwendung von Allergenextrakten entsteht bereits aus der Grunderkrankung: Die spezifischen Allergene werden bei allergischen Patienten eingesetzt. Die Gefahr einer allergischen Reaktion ist unvermeidbar«, so der Referent. Häufige unerwünschte Wirkungen seien daneben unspezifische Reaktionen wie Kopfschmerzen oder Müdigkeit, die vor allem zu Beginn der Therapie auftreten.