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Schizophrenie

Das Herz leidet mit

07.01.2015  10:02 Uhr

Von Annette Mende, Berlin / Patienten mit Schizophrenie haben eine deutlich kürzere Lebenserwartung als psychisch Gesunde. Das liegt nur zum Teil an ihrem riskanteren Lebensstil. Auch das Herz scheint von der Erkrankung in Mitleidenschaft gezogen zu werden.

Ein gesunder Geist wohnt in einem gesunden Körper, das wussten schon die alten Römer. Zumindest bei der Schizophrenie trifft häufig leider auch der Umkehrschluss zu, denn Patienten haben im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung eine um das Zwei- bis Dreifache erhöhte Mortalität. »Umgerechnet in Lebensjahre bedeutet das, dass Schizophrenie-Patienten 10 bis 15 Jahre kürzer leben«, sagte Professor Dr. Karl-Jürgen Bär vom Universitätsklinikum Jena beim Kongress der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) in Berlin.

 

Die Gründe dafür sind vielfältig. Eine schwere psychiatrische Erkrankung wie die Schizophrenie bringt es meist mit sich, dass Patienten weniger auf sich achten und zu riskanterem Verhalten neigen als der Bevölkerungsschnitt. So gibt es beispielsweise unter Schizophrenie-Patienten überdurchschnittlich viele starke Raucher, die Suizidrate und die Inzidenz des metabolischen Syndroms sind erhöht. Das erklärt allerdings nur zum Teil, warum knapp die Hälfte des Mortalitätsanstiegs bei Schizophrenie kardiovaskuläre Ursachen hat.

 

Medikation erhöht das Risiko

 

»Auch die bei Schizophrenie eingesetzten Antipsychotika erhöhen das kardiale Risiko«, sagte Bär. Forscher um Dr. Wayne Ray von der US-amerikanischen Vanderbilt University zeigten 2009 im »New England Journal of Medicine«, dass Patienten sowohl unter typischen als auch unter atypischen Neuroleptika dosisabhängig ein erhöhtes Risiko haben, an einem plötzlichen Herztod zu sterben (DOI: 10.1056/NEJMoa0806994).

 

Hinzu kommt häufig noch ein weiterer Effekt, den Bär und seine Arbeitsgruppe in mehreren Untersuchungen bei Patienten ohne Medikation fanden: eine Funktionsstörung des autonomen Nervensystems. Diese ist gekennzeichnet durch einen erhöhten Sympathikotonus, der sich unter anderem in einer Erhöhung von Herzfrequenz und Blutdruck niederschlägt, bei gleichzeitig reduzierter Modulation der Nervus- vagus-Aktivität. »Der Vagus-Nerv schirmt das Herz vor Arrhythmien und plötzlichen Ereignissen ab«, erklärte Bär. Diese Schutzfunktion sei bei betroffenen Patienten gestört. Sie zeigen eine hohe Variabilität des QT-Intervalls, also ein großes Arrhythmie-Risiko. »Zudem atmen sie schneller und flacher als psychisch Gesunde, was das Herz zusätzlich stört«, so der Psychiater.

 

Sport als Therapie

 

Sport könnte sich prinzipiell eignen, um diese Parameter positiv zu beeinflussen. Doch gilt das auch für an Schizophrenie erkrankte Menschen? Und sind diese überhaupt zu einer kontrollierten sportmedizinischen Intervention zu motivieren? Diese Fragen wollten Bär und sein Team in einer Studie mit 23 Patienten und ebenso vielen Kontrollen beantworten, deren Ergebnisse 2012 im »Schizophrenia Bulletin« erschienen (DOI: 10.1093/schbul/sbs085).

 

Die Ärzte ermittelten für die Studie die körperliche Leistungsfähigkeit der Teilnehmer in einem Spiroergometrie-Test. Dabei muss die Testperson auf einem Fahrradergometer eine bestimmte Wattzahl treten, die niedrig beginnt und so lange minütlich gesteigert wird, bis der Betreffende nicht mehr kann. Während dieser Zeit werden ihm regelmäßig Blutproben abgenommen, anhand derer sich etwa die aerobe und die anaerobe Schwelle bestimmen lassen. Diese bezeichnen die Leistung, bei der die Muskulatur langsam vom aeroben in den Lactat-Stoffwechsel wechselt beziehungsweise ab der dann nicht mehr genügend Sauerstoff vorhanden ist. Anders als die Maximalleistung sind sie nicht motivationsabhängig – bei der Untersuchung von psychisch Kranken ein besonders wichtiger Punkt.

 

»Unsere Patienten schnitten in allen Belangen schlechter ab als die Kontrollen«, sagte Bär. Das sei bemerkenswert, da als Kontrollpersonen bewusst Menschen rekrutiert worden waren, die ebenso wenig Sport trieben wie die Patienten. Die Unterschiede blieben auch dann bestehen, wenn die Forscher die Kohlenmonoxid-Konzentration im Blut als Parameter für das Rauchverhalten in ihre Berechnung mit einbezogen.

 

In einer weiteren, noch nicht veröffentlichten Studie, identifizierten Bär und Kollegen eine Subgruppe an Patienten, die von Beginn an eine erhöhte Herzfrequenz hatten, diese aber bei Belastung nicht angemessen steigern konnte. Die Spitzenleistung betrug 152 Schläge pro Minute. »Dieses Phänomen nennt man chronotrope Inkompetenz«, sagte Bär. Es komme auch bei anderen Herzkrankheiten vor, etwa bei KHK oder nach Transplantation, und stelle ein erhöhtes Risiko für Herz­infarkt und plötzlichen Herztod dar.

 

Schizophrenie-Patienten können mit Sport ihr kardiovaskuläres Risiko senken und ihre körperliche Leistungsfähigkeit verbessern, fasste Bär zusammen. Patienten mit chronotroper Inkompetenz gelte es zu identifizieren. Sie brauchen in aller Regel zum Schutz vor Herz-Kreislauf-Ereignissen einen Herzschrittmacher. /

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