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Medikationsanalyse

Augen auf beim Medikationsplan

Polymedikation und Multimorbidität sind die  wichtigsten Auslöser von arzneimittelbezogenen Problemen (ABP), die Apotheker bei einer Medikationsanalyse erkennen und lösen können. Doch wie fängt man an und was ist wichtig?
Brigitte M. Gensthaler
23.05.2022  11:00 Uhr

Anhand eines Patientenfalls wies Ulrich Koczian, Inhaber der Linden-Apotheke in Augsburg, beim Fortbildungskongress Pharmacon in Meran auf Probleme und Stolpersteine der Medikationsanalyse (MA) hin. Bei einem allein lebenden 71-jährigen Mann mit Epilepsie wurden Hypertonie und Hyponatriämie diagnostiziert. Seine Schwester stelle die Medikamente für ihn und habe in der Apotheke nachgefragt. Ihr Bruder leide an Schwindel, Gangunsicherheit, Müdigkeit, Schlafapnoe sowie nächtlichem Harndrang mit leichter Inkontinenz. Unklar sei, ob die Hyponatriämie medikationsbedingt sei und Torasemid Abhilfe schaffen könne.

Kurz zur Definition: Die MA ist eine strukturierte Analyse der aktuellen Gesamtmedikation und umfasst vier Hauptschritte mit Identifikation von Datenquellen und Sammeln von möglichst viel Information, Evaluation und Dokumentation von ABP, Erarbeitung von Lösungsvorschlägen und Einleitung von Maßnahmen in Rücksprache mit dem Arzt. Die Erstellung eines Medikationsplans mit allen Informationen rundet den Prozess ab.

Koczian stellte Daten aus seiner Apotheke und fünfjähriger Erfahrung mit der MA vor. Im Erstgespräch stimme nicht einmal ein Drittel der Patienten der Kontaktaufnahme mit dem Arzt zu, im Abschlussgespräch immerhin 44 Prozent. Viele gäben an, die Medikationsüberprüfung nur für sich persönlich zu wünschen und/oder selbst mit dem Arzt besprechen zu wollen. Das mache ihn stutzig, denn immerhin koste die MA 85 Euro. Oft wirke die Frage nach einer Medikationskontrolle fast wie ein Hilferuf bei komplizierter Medikation, berichtete Koczian aus Erfahrung.

Worauf sollte man beim Medikationsplan zuerst achten?

Koczian stellte seinen persönlichen Quickcheck vor. Punkt 1: geteilte Arzneimittel möglichst vermeiden. Punkt 2: Was in der Spalte »Hinweis und Behandlungsgrund« steht, sei oft nicht laienverständlich formuliert. Punkt 3: Kritische Arzneistoffgruppen sind Analgetika (je älter der Patient, umso vorsichtiger einsetzen) und Wirkstoffe mit anticholinerger Last, die eine Verordnungskaskade in Gang setzen können. Zu den wichtigen ABP gehören (Pseudo-)Doppelmedikation, Interaktionen und ungeeignete Dosierungen oder Dosisintervalle.

Für problematisch hält Koczian auch das mangelnde Wissen über die anzuwendende Medikation; dies fördere die Nonadhärenz. Es sei »eine vorrangige Aufgabe für Apotheker«, hier aufzuklären. Zudem sollten Apotheker auf Unterversorgung achten. Der Referent wies explizit auf »arzneimittelbezogene Bedürfnisse« hin. So müsse eine Medikation indiziert, effektiv und sicher und der Patient compliant sein.

In der Hausärztlichen Leitlinie Multimedikation (AWMF-Reg.Nr. 053-043) gebe die DEGAM Empfehlungen zum Umgang mit Multimedikation bei Erwachsenen und habe Leitfragen zu einzelnen Punkten erarbeitet.

Zurück zum Beispielpatienten: Koczian lenkte das Augenmerk auf das verordnete Carbamazepin. Ein Medikationscheck zeige mittelschwere Wechselwirkungen mit drei weiteren Arzneistoffen: Desfesoterodin, Torasemid und Silodosin. Das Antiepileptikum könne über mehrere Mechanismen ein SIADH (Syndrom der inadäquaten ADH-Sekretion) induzieren; dies ist die häufigste Form der euvolämischen Hyponatriämie.

Wie Koczian erklärte, zeigt eine Hyponatriämie keinen Natriummangel an, sondern eine Störung des Wasserhaushalts mit relativem oder absolutem Überschuss an Wasser im Körper. Man unterscheide eine akute schwere Form, die sich innerhalb von 48 Stunden entwickelt, und eine chronische Form, die sich langsam entwickelt und oft symptomlos abläuft.

Wichtigste Sofortmaßnahmen sind das Absetzen aller Arzneimittel, die ein SIADH auslösen können, und die Einschränkung der Flüssigkeitszufuhr auf 1 bis 1,5 Liter pro Tag. Der Neurologe habe Carbamazepin abgesetzt und Levetiracetam verordnet, sagte Koczian. Falls die Hyponatriämie weiterbestehe, wolle der Endokrinologe diese eventuell stationär korrigieren.

Braucht man Software-Programme oder Künstliche Intelligenz zur Medikationsanalyse? »Diese sind hilfreich, ersetzen aber nicht die persönliche Einschätzung und den pharmazeutischen Sachverstand. Eine Medikationsanalyse ist immer mit Empathie verbunden«, so Koczian.

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