Aufgeklärte Jugend? |
Laura Rudolph |
07.12.2022 18:00 Uhr |
Kondome schützen zuverlässig vor HIV und senken stark das Risiko, sich mit anderen sexuell übertragbaren Krankheiten anzustecken. / Foto: Adobe Stock/Krakenimages.com
Mit dem Eintritt ins Jugendalter wird für viele Menschen erstmals Sexualität und damit auch die Prävention von sexuell übertragbaren Infektionen (STI) relevant. Mit 17 Jahren hat die Mehrheit der Jugendlichen ihr »erstes Mal« bereits erlebt, wie eine Umfrage der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) ergab. Dabei ist den meisten Jugendlichen Verhütung wichtig: 77 Prozent der 14- bis 17-Jährigen gaben an, beim ersten Sex ein Kondom verwendet zu haben.
STI sind dennoch ein ernst zu nehmendes Gesundheitsrisiko. Sie können durch Bakterien, Viren oder Parasiten ausgelöst werden. Auf seiner Website informiert das Robert-Koch-Institut (RKI) zu Eigenschaften und Epidemiologie von STI (siehe Tabelle).
Erkrankung | Erreger | Inkubationszeit | Mögliche Symptome | Mögliche Komplikationen | |||||
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Bakterielle Infektionen | Gonorrhö (Tripper) | Gonokokken (Neisseria gonorrhoeae) | wenige Tage bis zwei Wochen | Eitriger bis wässrig-schleimiger oder blutiger Ausfluss, Schmerzen beim Wasserlassen, bei Analbefall: Ausfluss, Juckreiz und Schmerzen. Bei Rachenbefall: Halsschmerzen. Bei Augenbefall: eitrige Bindehäute, verklebte Augen | Gelenk-, Knochen-, Herz- oder Hirnhautentzündungen, Fruchtbarkeitsstörungen, Hornhautschädigung | ||||
Syphilis (Lues) | Treponema pallidum | durchschnittlich 14 bis 24 Tage | Initial schmerzloses Geschwür an Eintrittsstelle. Wochen bis Monate später Fieber, Kopf- und Gelenkschmerzen oder Hautausschlag, abwechselnd Latenz- und Symptomphasen | Nerven- und Organschäden | |||||
Chlamydien-Infektion | Chlamydia trachomatis | eine bis drei Wochen | ungewöhnlicher Ausfluss und/oder Juckreiz aus/an Scheide, Penis oder Anus, Schmerzen beim Wasserlassen | Eileiterentzündung, Prostataentzündung, Unfruchtbarkeit | |||||
Virale Infektionen | Genitalherpes | Herpes-simplex-Virus Typ 2 (HSV-2), seltener HSV-1 | sehr variabel, mitunter Monate bis Jahre | mitunter kleine, schmerzhafte Bläschen an der Eintrittsstelle. Rezidivierende Erkrankung, bei Erstausbruch häufig Fieber, Kopf- und Muskelschmerzen, Folgeausbrüche milder | Entzündungen der Geschlechtsorgane oder Gelenke, Unfruchtbarkeit | ||||
HIV-Infektion | Humanes Immunschwäche-Virus (HIV) | meist zwei bis drei Wochen | grippeähnliche Symptome: Fieber, Abgeschlagenheit, geschwollene Lymphknoten | Erworbenes Immunschwäche-Syndrom (Aids) | |||||
HPV-Infektion | Humane Papillomaviren (HPV) | meist zwei bis drei Monate | Genitalwarzen | Gebärmutterhalskrebs | |||||
Hepatitis-C-Infektion | Hepatitis-C-Virus (HCV) | 20 bis 60 Tage | Müdigkeit, Oberbauch- oder Gelenkbeschwerden, Juckreiz | Leberzirrhose, Leberkrebs | |||||
Parasitäre Infektionen | Filzlausbefall | Pthirus pubis (Filzlaus, Schamlaus) | wenige Tage | Juckende, bläulich-graue oder rote Bisstellen. Geschwollene Lymphknoten in der Leiste | keine bekannt | ||||
Trichomoniasis | Trichomonas vaginalis | circa eine bis drei Wochen | Schaumiger, gelblich-brauner Ausfluss mit Amin-Geruch (Frauen), selten Brennen beim Wasserlassen oder Ejakulieren | Entzündungen der weiblichen Geschlechtsorgane, Unfruchtbarkeit |
Die Jugendlichen in Deutschland seien insbesondere über das Humane Immundefizienz-Virus (HIV) aufgeklärt, berichtete Dirk Meyer, Referatsleiter Sexuelle Gesundheit, Prävention von HIV und anderen STI der BZgA, der PZ: »Die Bekanntheit von HIV ist hoch. Andere STI wie Chlamydien oder humane Papillomaviren (HPV) sind dagegen weit weniger bekannt. Dabei sind Chlamydien und HPV mit die häufigsten STI.«
Die Verbreitung der meisten STI lässt sich in Deutschland jedoch lediglich abschätzen. Meldepflichtig sind nur Infektionen mit dem Bakterium Treponema pallidum, dem Erreger der Syphilis, und HIV. Das RKI schätzt, dass sich 2021 insgesamt 1800 Menschen mit HIV infiziert haben; vermutlich mit höherer Dunkelziffer als gewöhnlich, da pandemiebedingt weniger HIV-Tests in Anspruch genommen wurden. Ende 2021 lebten somit schätzungsweise 90.800 mit HIV infizierte Menschen in Deutschland. Stark zugenommen haben Syphilisfälle. Während das RKI im Jahr 2009 etwa 3000 Fälle für das gesamte Jahr registrierte, wurden von Januar bis August 2022 bereits 4718 Fälle gemeldet.
»Wichtig ist, auf mögliche Symptome von STI, wie Brennen, Jucken oder ungewöhnlichen Ausfluss, zu achten und diese ärztlich abklären zu lassen«, erklärte Meyer. Häufig bleibt eine STI jedoch symptomlos – eine Ansteckungsgefahr besteht jedoch trotzdem. Präventiv zu testen, ist deshalb besonders relevant.
Für einige Präventivtests übernimmt die Krankenkasse die Kosten, beispielsweise für ein jährliches Chlamydienscreening bei sexuell aktiven Frauen unter 25 Jahren. Testangebote gibt es außerdem häufig bei Gesundheitsämtern oder lokalen Aids-Hilfen.
»Vielen Jugendlichen ist das Thema Verhütung sehr wichtig. Aus Angst, stigmatisiert zu werden, trauen sich viele jedoch nicht, sich auf STI testen zu lassen«, berichtete Steve Willich, Projektkoordinator bei Maincheck – Zentrum für Sexualität, Identität und Gesundheit in Frankfurt am Main, wo man sich auch auf STI testen lassen kann. Willich wünscht sich weniger Stigmatisierung und dass mehr Menschen die Testangebote wahrnehmen. Er sagte: »Einfach testen lassen. Viele STI sind zudem sehr gut behandelbar.«
Überdies sei es wichtig, Jugendliche besser über STI und deren Behandlung aufzuklären. Häufig konzentriere sich die Aufklärung zu sehr auf HIV. Zu anderen STI hätten Jugendliche einen sehr unterschiedlichen Wissensstand, so Willich.
Zu beachten sei laut Meyer beispielsweise das Infektionsrisiko durch Oralverkehr: »Auch wenn das Risiko eher gering ist, werden manche STI wie die Gonorrhö auch beim Oralsex übertragen. Für Herpes und Hepatitis A ist das einer der häufigsten Übertragungswege.«
Um sich zu schützen, solle man den Kontakt mit möglicherweise infektiösen Körperflüssigkeiten, vor allem mit Sperma oder Blut, vermeiden. »Dazu eignen sich Dental Dams«, ergänzte Meyer. Mit den sogenannten Lecktüchern kann der Genitalbereich beim Oralverkehr bedeckt werden.
In der Praxis kämen Dental Dams eher selten zum Einsatz, erklärte Willich. Sie seien teilweise nicht so leicht erhältlich und auch teurer als Kondome. Allerdings könne man sich aus einem Kondom leicht ein Dental Dam selbst basteln: »Einfach die Spitze und den Ring am anderen Ende des Kondoms abschneiden. Ausgerollt, kann das entstehende Tuch wie ein Dental Dam genutzt werden.«
Es gilt jedoch zu beachten, dass Kondome und Dental Dams das STI-Infektionsrisiko zwar stark senken, aber nicht gänzlich verhindern können. Sie schützen jedoch sehr zuverlässig vor einer HIV-Infektion. Dasselbe gilt für Femidom; das »Kondom für die Frau« wird nicht über den Penis gerollt, sondern direkt in der Scheide platziert.
Nicht nur Verhütungsmittel können das Infektionsrisiko senken. Seit 2007 kann beispielsweise gegen bestimmte, krebsauslösende HP-Viren geimpft werden. Das Angebot würde jedoch zu selten wahrgenommen, erklärte Meyer: »Obwohl eine frühzeitige Impfung das Risiko für Krebserkrankungen wie Gebärmutterhalskrebs, Hals-Rachen-Tumore oder Peniskarzinome im Erwachsenenalter deutlich reduzieren kann, sind viele Kinder und Jugendliche in Deutschland noch nicht gegen HPV geimpft«. Hier sei insbesondere eine Ansprache der Eltern wichtig, da die HPV-Impfung Mädchen und Jungen zwischen neun und 14 Jahren empfohlen wird.
Einer HIV-Infektion lässt sich mittels Präexpositionsprophylaxe (PrEP) auch medikamentös vorbeugen. Sie kann von HIV-negativen Menschen mit erhöhtem Ansteckungsrisiko genutzt werden und wird auch von den Krankenkassen erstattet. Die Kombination aus Tenofovir und Emtricitabin schützt ähnlich zuverlässig wie ein Kondom vor einer HIV-Infektion.