Atropin und ab ins Freie |
Daniela Hüttemann |
20.05.2024 16:00 Uhr |
Kurzsichtige Kinder sollten zudem regelmäßig augenärztlich untersucht werden, um die Progression zu verfolgen und zu entscheiden, ob eine medikamentöse Therapie der Myopie und spezielle optische Hilfsmittel infrage kommen. Eine Behandlung mit niedrig dosierten Atropin-Augentropfen (0,01 Prozent) sei angezeigt, wenn sich die Kurzsichtigkeit eines Kindes im Alter von sechs bis 14 Jahren jedes Jahr um eine halbe Dioptrie oder mehr verschlechtert.
Die Tropfen müssen dann über mehrere Jahre einmal täglich abends angewendet werden. Auch wenn der genaue Wirkmechanismus noch nicht bekannt ist: »Die Datenlage hierzu ist solide und das Verhältnis von Nutzen und Nebenwirkungen günstig«, betonte Heinz. Allerdings gibt es kein Fertigpräparat. Die Familien sind auf Rezepturen aus der Apotheke angewiesen (mehr dazu im DAC/NRF-Rezepturhinweis Atropin und Atropinsulfat). »Die Kosten werden in der Regel leider nicht von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt«, so der Augenarzt, doch die Kosten hielten sich in Grenzen.
Alternativ oder in Kombination gebe es optische Methoden. »Diese haben als Gemeinsamkeit, dass entweder neben dem ersten auf die Fovea fokussierten Bildeindruck ein zweiter vor die Netzhaut fokussierter Bildeindruck (bei einigen Kontaktlinsen und bei Brillengläsern mit zentraler Aussparung) generiert wird oder der Bildeindruck so gebogen wird, dass er in der Peripherie vor der Netzhaut liegt, was beides ein Stoppsignal für das Augenwachstum seitens der Netzhaut darstellt«, erläuterte der Referent.
Wie für die Atropin-Therapie gilt: Kindern zwischen sechs und 14 Jahren könnten multifokale oder orthokeratologische Kontaktlinsen angeboten werden, wenn eine Myopie-Progression von mindestens 0,5 Dioptrien pro Jahr besteht und bei den Kontaktlinsen ein korrektes Tragen und eine adäquate Hygiene garantiert sind.
Ähnlich funktionierten Multisegment-Brillengläser. Hier sind in die Brillengläser so geschliffen, das sie einen zweiten Fokus vor der peripheren Netzhaut generieren, erklärte Heinz. Randomisierte, kontrollierte Studien mit einer Beobachtungsdauer von zwei bis drei Jahren hätten eine Halbierung der Myopie-Verschlechterung gezeigt. Doch auch die optischen Hilfsmittel würden in der Regel nicht von den Krankenkassen bezahlt.
Ob die Kombination aus Atropin-Behandlung und speziellen Brillen oder Kontaktlinsen einen synergistischen Effekt hat, wird derzeit noch in Studien untersucht. »Wenn man diese Behandlungsjahre durchhält, kann man die Kurzsichtigkeit deutlich reduzieren und damit auch das Risiko dadurch bedingter Augenerkrankungen verringern«, verdeutlichte Heinz.