Atemwege öffnen, Entzündung löschen |
Daniela Hüttemann |
21.11.2023 18:00 Uhr |
Asthma kann sich auch noch im höheren Lebensalter entwickeln. Wichtig ist eine frühe, leitliniengerechte Therapie (der »blaue« Inhalator mit einem SABA reicht nicht) und eine korrekte Inhalationstechnik. Dabei müssen die Lippen das Mundstück vollständig umschließen. / Foto: Getty Images/ljubaphoto
Äußerst lebhaft schilderte kürzlich der Koordinator der neuen S2k-Leitlinie zur fachärztlichen Diagnostik und Therapie von Asthma 2023, Professor Dr. Marek Lommatzsch, bei der Jahrestagung der Scheele-Gesellschaft (der DPhG-Landesgruppe Mecklenburg-Vorpommern), wie sich Verständnis und Therapie der Atemwegserkrankung im Laufe der Jahrzehnte gewandelt haben – von Asthma-Zigaretten bis zu monoklonalen Antikörpern. Nicht nur mit Stufenschemata und Pathomechanismen, sondern auch anhand vieler Patientenbeispiele, stellte er dar, wie eine moderne Behandlung auszusehen hat. Er stelle aber in der Klinik immer wieder fest, dass die neuen Therapieprinzipien noch nicht überall in der Praxis angekommen sind.
Viele Patienten bekommen immer noch ein inhalatives Beta-Sympathomimetikum als Monotherapie – das sei heute obsolet. Denn Salbutamol, Formoterol und Co. wirken nur symptomatisch. Sie weiten die Bronchien, wirken aber nicht antientzündlich. Entzündungsreaktionen sind jedoch Grundlage und Treiber der Asthma-Erkrankung. »Die Therapie hat sich komplett gewandelt: Von der Symptom-Bekämpfung zur Symptom-Prävention«, erläuterte Lommatzsch den Paradigmen-Wechsel der vergangenen Jahre.
»Wir wollen immer öffnen (Bronchodilatator) und löschen (Corticoid)«, verdeutlichte Lommatzsch. Ziel sei es, dass der Patient durch die Grundtherapie überhaupt keinen Asthma-Anfall mehr bekommt, geschweige denn eine Exazerbation. Das gilt sogar für Patienten mit schwerem Asthma, wenn sie richtig behandelt werden.
Dazu braucht es antientzündliche Substanzen. Heutzutage sollen alle erwachsenen Patienten schon ab der ersten Therapiestufe ein niedrig dosiertes inhalatives Corticosteroid (ICS) erhalten – bevorzugt kombiniert mit Formoterol zur Bedarfstherapie (bei Kindern weicht das Stufenschema etwas ab). Möglich ist bei Erwachsenen auf Stufe 1 auch noch ein ICS zur Dauertherapie plus ein kurzwirksames Beta-2-Sympathomimetikum (SABA) für die Bedarfstherapie. »Ein SABA als alleinige Asthma-Therapie steht so gerade noch in der Leitlinie, ist aber obsolet«, befand der Asthma-Experte. Hier sollte man als Arzt bei der Verordnung ein schlechtes Gewissen haben. Handelt es sich um ein allergisches Asthma, gehöre auch eine gezielte Allergen-Immun-Therapie (AIT, Desensibilisierung) zum modernen Behandlungskanon.
Wie sollten Apotheker reagieren, wenn ein offensichtlich nicht gut eingestellter Asthma-Patient mit reiner Bedarfsmedikation vor einem steht? Lommatzsch räumte ein, dass die Kommunikation mit dem verordnenden Arzt dann schwierig sein könnte. Man sollte dem Patienten nicht sagen, die Therapie sei falsch, sondern ihn darauf hinweisen, dass nach den neuesten Empfehlungen etwas fehle.
Richtig inhalieren will gelernt sein
Da die Therapie bevorzugt inhalativ erfolgt, ist eine gute Schulung des Patienten zur Anwendung seines Inhalators beziehungsweise seiner Inhalatoren extrem wichtig. Denn die Therapie kann nur erfolgreich sein, wenn sie regelmäßig richtig angewendet wird. Lommatzsch nannte nur zwei besonders haarsträubende Fehlanwendungen seiner Patienten: »Da wird das Asthma-Spray im Raum versprüht oder die Folsäure-Kapsel in den Inhalator eingelegt und stattdessen die Foradil®-Kapsel geschluckt.«
In der Regel übernehmen die Arztpraxen die Inhalatoren-Schulung bei einer Neuverschreibung. Lommatzsch sieht die Apotheken vor allem in der Pflicht, wenn ein Rabattartikel- oder Lieferengpass-geschuldeter Austausch erfolgt. Dann muss umgeschult werden. Am besten sollte der Patient nur ein System verwenden müssen, also nicht ein Dosieraerosol und einen Pulverinhalator, da hier die Unterschiede in der Anwendung so groß seien. Auf die Besonderheiten der pulmonalen Applikation waren zuvor die pharmazeutischen Technologen Professor Dr. Regina Scherließ (Uni Kiel) und Professor Dr. Claus-Michael Lehr (Helmholtz-Instituts für Pharmazeutische Forschung Saarland) eingegangen.
Riesige Fortschritte hat es in der Therapie des schweren Asthmas gegeben. Hier stehen mittlerweile sechs Biologika zur Verfügung, die je nach Phänotyp des Asthmas eingesetzt werden, einige davon auch zur Selbstapplikation durch den Patienten. Die Leitlinie gebe hier einen klaren Fahrplan vor, welches Mittel für welchen Patienten verordnet werden soll. Dazu werden Biomarker herangezogen.
Orale Corticosteroide sollen nur noch bei fehlender Indikation oder Versagen einer Biologika-Therapie gegeben werden. »Die neuen Medikamente sind so wirksam, es wäre unethisch, sie den Patienten vorzuenthalten«, meinte Lommatzsch auch im Hinblick auf die Kosten. »Damit bekommen wir mehr als ein Drittel der Patienten mit schwerem Asthma sogar in die Remission, also beschwerdefrei – das ist der Hammer! Früher waren wir froh, wenn diese Patienten überhaupt überlebten.« Die Remission sei daher heute für alle Patienten das angestrebte Therapieziel.