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Fettleber

Arzneistoffkandidaten in der Pipeline

Nicht ansteckend und doch pandemisch: Etwa jeder vierte Erwachsene in Deutschland und weltweit hat eine Fettleber. Derzeit gibt es kein zugelassenes Medikament – das könnte sich in den kommenden Jahren aber ändern. Status quo und Ausblick der Therapieoptionen bei Fettleber und ihren Folgeerkrankungen. 
AutorKontaktLaura Rudolph
Datum 04.07.2023  18:00 Uhr

Von einer nicht alkoholischen Fettleber (Non-Alcoholic Fatty Liver Disease, NAFLD) spricht man, wenn mehr als 50 Prozent der Leberzellen sichtbare Fetteinlagerungen aufweisen. »Die NAFLD wird als hepatische Manifestation des Metabolischen Syndroms angesehen, kann aber auch unabhängig davon auftreten«, heißt es in der aktualisierten S2k-Leitlinie zur NAFLD der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS). Eine Fettleber betrifft überwiegend Menschen mit Adipositas und Typ-2-Diabetes, zu den weiteren Risikofaktoren zählen Dyslipidämie und endokrin wirksame Umweltgifte.

Wird der Fettleber durch eine konsequente Gewichtsreduktion und Lebensstiländerung kein Einhalt geboten, kann sich aus ihr eine nicht alkoholische Fettleberentzündung (nicht alkoholische Steatohepatitis, NASH) entwickeln. Bei der Fettleber akkumulieren Triglyceride in den Leberzellen und infolge von Membranschädigungen durch Lipidoxidation kommt es zu Entzündungsreaktionen und so zu einer NASH. Zu den möglichen Mechanismen zählen verminderte Synthese von VLDL (very low density lipoprotein) sowie eine pathologisch erhöhte Triglyceridsynthese.

Die globale Prävalenz der NASH wird auf 3 bis 5 Prozent geschätzt, in Deutschland sind rund 4 Prozent der Menschen betroffen. Sie kann sich im weiteren Verlauf zu einer Leberfibrose und dann zu einer -zirrhose entwickeln. Sie begünstigt außerdem Leberzellkrebs, der zu den fünf häufigsten Krebsarten weltweit gehört. 

Bisher nur Off-Label-Therapien

Gegen NAFLD und NASH gibt es bislang weder ein zugelassenes Medikament noch eine etablierte Therapie. Die Therapieempfehlungen der nationalen NAFLD-Leitlinie richten sich vielmehr nach den Begleiterkrankungen der Patienten. Für NAFLD-Patienten mit Typ-2-Diabetes werden GLP-1-Rezeptoragonisten (Inkretin-Mimetika) wie Liraglutid oder Semaglutid empfohlen; SGLT2-Inhibitoren wie Empa- und Dapagliflozin oder aber Pioglitazon können erwogen werden. GLP-1 Analoga und SGLT2-Inhibitoren sind nur in Kombination mit Metformin zugelassen (Ausnahme: Metformin-Unverträglichkeit).

GLP-1-Analoga empfiehlt die Leitlinie auch für NAFLD-Patienten mit Adipositas. Liegt bereits eine NASH bei übergewichtigen oder adipösen Patienten vor, kann der Lipasehemmer Orlistat zum Einsatz kommen. NAFLD-Patienten mit einer Fettstoffwechselstörung sollten diese mit Statinen behandeln. 

Zu weiteren Therapieoptionen heißt es in der Leitlinie: »Der generelle Einsatz von Medikamenten wie Ursodeoxycholsäure, Pioglitazon, Metformin, Silymarin oder Pentoxifyllin sowie Nahrungsergänzungsmitteln wie Vitamin E oder Omega-3-Fettsäuren soll aufgrund der aktuellen Datenlage zur Behandlung der NAFLD nicht erfolgen.« Demnach führe Vitamin E (Dosis > 400 IE/Tag) bei langfristiger Einnahme zu erhöhter Gesamtmortalität und bei Männern zu einem erhöhten Risiko für Prostatakrebs. Omega-3-Fettsäuren, Silymarin und Polyphenole oder Ursodeoxycholsäure und Pentoxifyllin zeigten keine signifikanten Gewebeverbesserungen bei NAFLD. Studiendaten zur Supplementation von Spurenelementen und zum Einsatz von Phytopharmaka bei NASH seien gar nicht beziehungsweise kaum verfügbar.

Neues in der Pipeline

In den kommenden Jahren und Jahrzehnten könnten es jedoch einige Substanzen gegen Fettleber(entzündung) in den klinischen Alltag schaffen. Derzeit befinden sich mehrere Arzneistoffkandidaten in Phase-III-Studien beziehungsweise zeigten sich in Phase-II-Studien erfolgreich.  Aufmerksamkeit erregt derzeit etwa der Adipositas-Arzneistoffkandidat Retatrutid des Unternehmens Eli Lilly. Der Triple-Agonist an den Hormonrezeptoren von GLP-1, GIP (Gastrisches Inhibitorisches Polypeptid) und Glucagon reduzierte in einer Phase-II-Studie nach 48 wöchentlichen Injektionen in der Dosis von 12 mg nicht nur massiv das Körpergewicht von adipösen oder sehr übergewichtigen NAFLD-Patienten, sondern auch deren Leberfett. Der »Triple-G-Agonist« könnte damit zukünftig nicht nur bei der Adipositas-, sondern auch bei der Fettleber-Behandlung und –Prävention eine Rolle spielen.

Ein Arzneistoffkandidat zur Behandlung der NASH ist Lanifibranor der Firma Inventiva Pharma. Der sogenannte Pan-PPAR-Agonist greift an den drei Isoformen α, δ und γ des Transkriptionsfaktors Peroxisom Proliferator Aktivierter Rezeptor (PPAR) an. Der Agonismus an PPARα, PPARδ und PPARγ verringert Entzündungsreaktionen. Aktivatoren von PPARδ verringeren überdies die Lipogenese und gehen mit antifibrotischen Wirkungen und einem verbesserten Ansprechen des Körpers auf Insulin einher. Ebenso wie PPARα senkt PPARɣ bei Aktivierung den Triglyceridspiegel und erhöht den Spiegel des »guten« HDL-Cholesterols.

Lanifibranor befindet sich aktuell in der Phase-III-Studie »Nativ3«. Getestet wird an Erwachsenen mit NASH und einer Leberfibrose zweiten oder dritten Grades. In der Phase-IIb-Studie erzielte der Pan-PPAR-Agonist bereits vielversprechende Ergebnisse: Von den Patienten, die über 24 Wochen einmal täglich 1200 mg Lanifibranor erhalten hatten, zeigten 55 Prozent eine Verringerung des Krankheitsscores SAF (semiquantitativer Score aus Steatose-Ausmaß, entzündlicher Aktivität und Fibrose) um mindestens zwei Punkte ohne eine Verschlechterung der Fibrose. In der Placebogruppe waren es 33 Prozent. Das Ende der laufenden Phase-III-Studie wird für Herbst 2026 erwartet.

FGF-21-Analoga gegen NASH

Ebenfalls in Phase III befindet sich das Fibroblasten-Wachstumsfaktor-21-(FGF21-)Analogon Pegozafermin der US-Pharmafirma 89bio. In der Leber fördert FGF21 die Fettsäureoxidation und verringert die Lipogenese, wodurch sich das Leberfett reduziert und der systemische Triglyceridspiegel sinkt. Vor Kurzem sind die Ergebnisse der Phase-IIb-Studie (»New England Journal of Medicine«; 2023; DOI: 10.1056/NEJMoa2304286) erschienen. In der Behandlung der NASH mit Fibrose zeigte das FGF21-Analogon eine Überlegenheit gegenüber Placebo. Die 219 Studienteilnehmer erhielten je nach Behandlungsarm entweder Pegozafermin in einer Dosis von 15 mg oder 30 mg als wöchentliche Injektion oder 44 mg alle zwei Wochen oder Placebo.

Bei 27 Prozent der Patienten, die Pegozafermin in der höchsten Dosis erhalten hatten, verbesserte sich die Fibrose (15 mg: 22 Prozent, 30 mg: 26 Prozent), unter Placebo waren es 7 Prozent. Das ging aus einer gepoolten Analyse hervor. Auch zeigte sich in der Verumgruppe ein höherer Anteil an Patienten, deren Fettleberentzündung sich verbessert hatte. Hier punktete insbesondere die Dosierung von 15 mg mit 35 Prozent. 

»Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass die neue potenzielle Behandlung nicht nur die Fibrose verbessert, sondern auch die Entzündung und die Leberschädigung, zusammen mit signifikanten Verbesserungen bei mehreren nicht invasiven Biomarkern der NASH-Aktivität und Narbenbildung«, sagte der Erstautor der Studie, Dr. Rohit Loomba von der Universität in Kalifornien, in einer Pressemitteilung

Zudem befinden sich zur NASH-Behandlung weitere Präparate in Phase-III-Zulassungsstudien. Dazu zählen unter anderem Obeticholsäure (ein selektiver Farnesoid-X-Rezeptor-Agonist), Resmetirom (ein selektiver Thyroidhormonrezeptor-β-Agonist) sowie Aramchol (ein Fettsäure-Gallensäure-Konjugat) und Belapectin (ein Galectin-3-Inhibitor).

Ansätze aus experimentellen Studien

Auch in experimentellen Studien mit Tieren wird derzeit an NASH-Behandlungsmöglichkeiten geforscht. So konnte etwa das Tripeptid »DT-109« (Glycin-Glycin-Leucin) bei Mäusen und nicht menschlichen Primaten die Entzündung bei NASH abschwächen und das Fortschreiten der Fibrose verhindern. Das Tripeptid stimulierte bei den Primaten den Fettsäureabbau und die Glutathionbildung und modulierte den mikrobiellen Gallensäurestoffwechsel. (»Cell Metabolism«; 2023; DOI: 10.1016/j.cmet.2023.03.013). »Ein gestörter Glycin-Stoffwechsel hat sich als ursächlicher Faktor und therapeutisches Ziel bei NASH herausgestellt«, so die Studienautoren. Bis zu einer potenziellen Marktreife ist es aber noch ein langer Weg. 

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