Pharmazeutische Zeitung online
ARZNEISTOFFE

Setmelanotid|Imcivree®|06|2022

STOFFGRUPPE
06 Antiadiposita/Appetitzügler
WIRKSTOFF
Setmelanotid
FERTIGARZNEIMITTEL
Imcivree®
HERSTELLER

Rhythm Pharmaceuticals

MARKTEINFÜHRUNG (D)
06/2022
DARREICHUNGSFORM

10 mg/ml Injektionslösung

ATC-CODE
A08AA12
ORPHAN DRUG
Ja

Indikationen

Imcivree ist zugelassen zu Behandlung von Patienten ab sechs Jahren mit genetisch bestätigtem Bardet-Biedl-Syndrom (BBS), durch Funktionsverlustmutationen bedingtem biallelischem POMC-Mangel (einschließlich PCSK1) oder biallelischem Leptinrezeptor(LEPR)-Mangel. Die Betroffenen haben ständig Hunger und entwickeln daher schon im Kindesalter eine Adipositas.

Wirkmechanismus

Setmelanotid ist ein α-MSH-Mimetikum und selektiver MC4R-Agonist. Melanozyten-stimulierende Hormone (MSH) oder auch Melanotropine sind eine Gruppe von Peptidhormonen, die über die Melanocortinrezeptoren MC1R bis MC5R verschiedene Prozesse im Körper regulieren. So führt etwa die Aktivierung von MC1R auf Melanozyten zu einer erhöhten Hautpigmentierung, während die Aktivierung von zentralen MC4R fiebersenkend wirkt und sexuelle Erregung vermittelt. Zudem sind MC4R an der Regulierung von Hunger- und Sättigungsgefühl sowie des Energieumsatzes beteiligt. Agonisten an MC4R sind unter anderem α-MSH und Adrenocorticotropin (ACTH). Letzteres wird aus der Vorstufe Proopiomelanocortin (POMC) gebildet.

Anwendungsweise und -hinweise

Die empfohlene Dosis richtet sich nach der Indikation und nach dem Alter des Patienten. Imcivree wird einmal täglich morgens als subkutane Injektion ins Abdomen an täglich wechselnden Injektionsstellen angewendet. 

 

Zur Behandlung der POMC-Mangels, einschließlich PCSK1, und LEPR-Mangel beträgt die empfohlene Anfangs-Dosis für Erwachsene und Jugendliche ab 12 Jahren 1mg einmal täglich für zwei Wochen. Danach kann die Dosis bei Verträglichkeit auf 2 mg täglich erhöht werden. Wird die höhere Dosis nicht vertragen, kann die Anfangsdosis weiterhin verwendet werden. Wird eine zusätzlich Gewichtsabnahme gewünscht, kann die Dosis auf 2,5 mg und bei guter Verträglichkeit auf 3 mg erhöht werden. Bei Kindern von 6 bis unter 12 Jahren startet man mit 0,5 mg täglich. Die Dosis kann auf bis zu 2,5 mg täglich gesteigert werden.

 

Zur Behandlung des Badet-Biedl-Syndroms beginnen Erwachsene und Jugendliche ab 16 Jahre mit einer Dosis von 2 mg täglich, Kinder und Jugendliche von 6 bis unter 16 Jahren mit 1 mg in Woche 1 und 2 mg in Woche 2. Bei beiden kann die Dosis ab Woche 3 auf 3 mg täglich gesteigert werden.

 

Patienten mit schwerer Nierenfunktionsstörung starten ebenfalls mit einer Anfangsdosis von 0,5 mg einmal täglich. Bei guter Verträglichkeit kann diese bis auf 3 mg täglich gesteigert werden.

 

Wird eine Dosis versäumt, soll die Anwendung mit der nächsten geplanten Dosis fortgesetzt werden. Bei mittelschwerer bis schwerer Nierenfunktionsstörung und bei Leberfunktionsstörung sollte Setmelanotid nicht angewendet werden.

 

Unter der Therapie kann es infolge der Stimulation von MC1R zu einer erhöhten Pigmentierung der Haut kommen. Vor und während der Behandlung sollten Patienten deshalb entsprechend untersucht und Pigmentläsionen überwacht werden. Ebenfalls durch den Wirkmechanismus erklärbar ist die Möglichkeit des Auftretens spontaner Peniserektionen. Dauern diese länger als vier Stunden, sollten Patienten eventuell einen Notarzt aufsuchen. Depressionen gehörten in den Zulassungsstudien zu den häufigen Nebenwirkungen, sodass auch auf eine mögliche Suizidalität besonders zu achten ist. Mindestens alle sechs Monate sind zudem Herzfrequenz und Blutdruck zu kontrollieren.

Nebenwirkungen

Die häufigsten Nebenwirkungen in Studien zu Setmelanotid waren Hyperpigmentierung (51 Prozent der behandelten Patienten), Reaktionen an der Injektionsstelle (39 Prozent), Übelkeit (33 Prozent) und Kopfschmerzen (26 Prozent).

Kontraindikationen und Vorsichtsmaßnahmen

Bei Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Inhaltsstoffe ist das Arzneimittel kontraindiziert.

Studien

Die Wirksamkeit von Setmelanotid wurde in zwei klinischen Studien gezeigt, an denen Patienten ab sechs Jahren mit Adipositas infolge von POMC-Mangel (Studie RM-493-012) beziehungsweise LEPR-Mangel (Studie RM-493-015) teilnahmen. Beide Studien umfassten nach einer Phase der Dosistitration eine zehnwöchige offene Behandlungsphase. Hatten die Patienten an deren Ende eine vorab definierte Gewichtsreduktion erreicht, folgte eine doppelblinde, placebokontrollierte Absetzphase von acht Wochen (vier Wochen Placebo, vier Wochen Verum) und danach eine Fortsetzung der Setmelanotid-Therapie über bis zu 32 Wochen.

 

In der Wirksamkeitsanalyse berücksichtigt wurden insgesamt 21 Patienten (zehn in Studie RM-493-012 und elf in Studie RM-493-015), die auf diese Weise mindestens ein Jahr lang mit Setmelanotid behandelt worden waren. Von den Patienten mit POMC-Mangel erreichten acht (80 Prozent) nach dieser Zeit den primären Endpunkt einer Gewichtsabnahme von ≥ 10 Prozent, von den Patienten mit LEPR-Mangel fünf (46 Prozent). In beiden Studien hatten das Hungergefühl und auch das Körpergewicht der Patienten während der vierwöchigen Absetzphase wieder zugenommen.

Besonderheiten

Imcivree ist in der Originalverpackung bei 2 bis 8 °C im Kühlschrank zu lagern. Ungeöffnete Durchstechflaschen können bis zu 30 Tage lang bei Raumtemperatur (maximal 30 °C) gelagert werden.

Imcivree ist verschreibungspflichtig.

Formeln

Setmelanotid

Setmelanotid

Die dreidimensionale Strukturformel können Sie mit einem kostenlosen Zusatzprogramm aus dem Internet, zum Beispiel Cortona von Parallelgraphics, ansehen (externer Link).

setmelanotid.wrl

Weitere Hinweise

Bezüglich der Anwendung in Schwangerschaft und Stillzeit ist zu bedenken, dass eine Gewichtszunahme während der Schwangerschaft für die gesunde Entwicklung des Kindes notwendig ist. Eine Therapie mit Setmelanotid sollte daher vorsichtshalber nicht während der Schwangerschaft oder während des Versuchs, schwanger zu werden, begonnen werden. Ist eine Patientin jedoch bereits auf Setmelanotid eingestellt und hat ein stabiles Gewicht erreicht, sollte eine Fortsetzung der Therapie während der Schwangerschaft erwogen werden.

 

In der Stillzeit kann ein Risiko für das gestillte Kind nicht ausgeschlossen werden. Bei der Entscheidung, ob das Stillen zu unterbrechen ist oder ob auf die Behandlung mit Setmelanotid (vorübergehend) verzichtet wird, sind sowohl der Nutzen des Stillens für das Kind als auch der Nutzen der Therapie für die Mutter zu berücksichtigen.

Vorläufige Bewertung

Sprunginnovation

Letzte Aktualisierung: 24.04.2023