App ist in den Startlöchern |
dpa |
PZ |
08.06.2020 11:54 Uhr |
Über Bluetooth-Verbindungen soll die Coronavirus-Warn-App fürs Handy Infektionsketten besser und schneller nachverfolgen können. Außerdem soll es auch die Möglichkeit der Übertragung von Testergebnisse geben. / Foto: Shutterstock/Stock-Asso
Im Kampf gegen das Coronavirus soll die lange geplante staatliche Warn-App für Smartphones in der kommenden Woche an den Start gehen. Die Anwendung soll dann vorgestellt und auch gleich zum Herunterladen angeboten werden, wie Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin sagte. Der genaue Tag wurde noch nicht genannt. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) machte deutlich, dass die freiwillige App zum digitalen Nachverfolgen von Infektionsketten technisch attraktiv gestaltet werden soll, um eine breite Nutzung zu erreichen. Aus der Opposition kam Kritik am wochenlangen Vorlauf.
Spahn sagte der »Rheinischen Post« (Montag), die Entwicklungszeit sei gebraucht worden, um hohe Anforderungen zu erfüllen. »Die App muss auf allen Endgeräten genutzt werden können und soll beispielsweise auch dann messen, wenn man mit dem Handy Musik hört.« Hinzu kämen Vorgaben bei Datenschutz, Datensicherheit und Energieeffizienz. »Eine App, die in wenigen Stunden den Akku des Handys leerzieht, nutzt keiner.« Er wolle vermeiden, dass die App von vielen wieder gelöscht werde, weil sie zu viel Energie fresse. »Wenn wir in den kommenden Wochen einige Millionen Bürger von der App überzeugen, dann bin ich schon zufrieden«, sagte Spahn weiter. »Das Virus einzudämmen, ist ein Teamspiel. Jeder, der die App herunterlädt, hilft dabei.« Die Bundesregierung wolle in einer breiten Kampagne für die Nutzung werben.
Das Versprechen, die sogenannte Tracing-App so transparent wie möglich zu gestalten konnte laut den Entwicklern eingehalten werden. Sie hatten den kompletten Programmcode der mit Spannung erwarteten Anwendung offengelegt. »Über Pfingsten haben wir alle restlichen, noch nicht veröffentlichten Quellcodes für die App auf der Entwickler-Plattform GitHub publiziert«, erklärten Sprecher der Deutschen Telekom und der SAP AG. Damit seien alle Codes der vollständigen App für die Experten-Community einsehbar.
In dem Open-Source-Projekt hätten sich bislang über 65.000 GitHub-Besucher die bereits veröffentlichten Quellcodes angesehen und etliche Software-Experten unter ihnen auch eigene Vorschläge für Verbesserungen gemacht. »Dieses Engagement ist herausragend und das klare Zeugnis einer lebendigen Software-Engineering-Kultur in Deutschland«, heißt es in der Erklärung.
Spahn erläuterte, im Vergleich zur analogen Welt solle die App auch für den Datenschutz Vorteile bringen. »Bei der derzeit vielfach obligatorischen Abfrage der persönlichen Kontaktdaten bei Restaurants oder Gottesdiensten trägt man ja in Wahrheit nicht nur seine eigene Telefonnummer in die Liste ein, sondern kann auch die des vorherigen Gastes lesen. Da ist es mit dem Datenschutz oft nicht weit her.« Der Minister bekräftigte, dass die Regierung keine gesonderte gesetzliche Grundlage für die App anstrebe. In der Datenschutzgrundverordnung sei alles Notwendige eindeutig geregelt – etwa zur Freiwilligkeit und zur ausdrücklichen Einwilligung für jede Nutzung der Daten.
Die Bundesregierung will mit der Anwendung die Infektionsketten des Coronavirus besser erkennen und dafür sorgen, dass bei einer Lockerung für das öffentliche Leben die Ausbreitung des Coronavirus nicht wieder stark ansteigt. Wird ein Nutzer positiv auf Covid-19 getestet und dieser Status in der App erfasst, sollen die anderen Anwender darüber informiert werden, dass sie sich in der Vergangenheit in der Nähe einer infizierten Person aufgehalten haben. Die App dient nicht nur dem Aufspüren von infektionsträchtigen Begegnungssituationen, sondern bietet auch die Möglichkeit, Testergebnisse digital zu übertragen. In der App können Anwender einen QR-Code scannen, den sie vom Arzt oder dem Labor erhalten, um dann das Resultat eines Coronavirus-Tests in der Anwendung übermittelt zu bekommen und anzuzeigen.
Die Tracing-App wertet dabei keine Geo-Daten aus und übermittelt keine Ortsinformationen. Die anonymisierten Daten der Kontakte werden nicht zentral gespeichert, sondern dezentral auf dem jeweiligen Smartphone. Nur die anonymisierte Liste wird zentral gespeichert und von den Smartphones regelmäßig abgerufen, um mögliche problematische Begegnungen zu identifizieren. Die erste Version der App soll zunächst auf Deutsch und Englisch verfügbar sein. Weitere Sprachen wie Türkisch sollen folgen.
Kritik kam von Seiten der Bundestagsopposition. FDP-Fraktionsvize Frank Sitta kritisierte: »Die chaotische Entwicklung der App hat bereits viel wertvolle Zeit und Vertrauen der Bürger gekostet.« Der Digitalexperte Manuel Höferlin (ebenfalls FDP) sagte: »Es wäre fatal, wenn sich die Fertigstellung der App weiter verzögern würde. Wir hinken im europäischen Vergleich zeitlich sowieso schon wieder weit hinterher.« Die Regierung habe genug Zeit gehabt, um dafür zu sorgen, dass die App alle Vorgaben erfüllt. »Dass dies zwingend auch einen moderaten Akkuverbrauch beinhalten muss, ist doch eine Selbstverständlichkeit und keine unerwartete Herausforderung.«
In Frankreich kann die dortige App-Version »StopCovid« seit knapp einer Woche heruntergeladen werden. Nach Angaben der Regierung hat die App die erste Millionen-Marke bereits übertroffen. Innerhalb von vier Tagen sei die App eine Million Mal aktiviert worden, schrieb der Staatssekretär für Digitales, Cédric O, am Samstag auf Twitter. Die kostenlose Anwendung steht seit letzter Woche Dienstag zum Herunterladen auf das Handy bereit. Auch in Italien wird eine ähnliche App seit einer Woche in vier Regionen genutzt. Nach Angaben der Nachrichtenagentur Ansa haben bisher rund zwei Millionen Menschen die Anwendung »Immuni« auf ihre Smartphones heruntergeladen.
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