Apotheker an Schnittstellen |
Carolin Lang |
09.10.2023 15:05 Uhr |
Schnittstellen bringen Herausforderungen für die Patientenversorgung mit sich. / Foto: Adobe Stock/Drobot Dean
Ausgerichtet wurde das Symposium von der DPhG und der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg. Der erste Fachvortrag war der Schnittstelle zwischen Arzt und Apotheker beziehungsweise Arzneimittelverordnung und -anwendung gewidmet. Wie Apotheker dazu beitragen können, dass Patienten ein verordnetes Arzneimittel auch korrekt anwenden, legte Apothekerin Ina Richling, PharmD, am Beispiel der Inhalativa-Schulung als pharmazeutische Dienstleistung dar.
Denn gerade hier sind Anwendungsfehler keine Seltenheit. Häufig sei etwa, dass Patienten Dosieraerosole vor der Anwendung nicht schütteln, nach der Inhalation den Atem nicht anhalten oder nach der Anwendung eines Glucocorticoids den Mund nicht ausspülen, so Richling. Mit dem Üben der Inhalationstechnik könnten Apotheker Fehlern wie diesen gegenwirken. »Hier können Sie das, weswegen Sie Pharmazie studiert haben, anwenden«, hob Richling hervor.
Die Dienstleistung könne nicht nur Patienten in der Apotheke, sondern auch in Alten- und Pflegeheimen angeboten werden, erinnerte sie. Insbesondere bei geriatrischen Patienten könnten Apotheken mit der Dienstleistung »viel Gutes« bewirken.
Bei der Implementierung der Dienstleistung in der Apotheke unterstützen könnten etwa die Arbeitsmaterialien der ABDA. Außerdem riet Richling, sich zunächst im Team zusammenzusetzen, um Organisatorisches oder auch die Anwendung der Devices zu besprechen.
»Denken Sie an die pharmazeutischen Dienstleistungen, führen Sie sie durch«, appellierte die Apothekerin abschließend an ihre Kolleginnen und Kollegen. »Sie und vor allem der Patient profitieren davon.«
Im Fokus des nächsten Vortrags stand der Übergang von der klinischen zur ambulanten Patientenversorgung. Hier gehe es »meistens ziemlich holprig zu«, leitete Apothekerin und Diplompharmazeutin Nadine Metzger ins Thema ein. Die DPhG-Vizepräsidentin stellte ein gemeinsames Projekt von DPhG und dem Bundesverband Deutscher Krankenhausapotheker (ADKA) vor, in dem Maßnahmen des Entlassmanagements aus Sicht von Klinik- und Offizinapothekern beleuchtet wurden. Im Rahmen des diesjährigen ADKA-Kongresses hat die PZ bereits über das Projekt berichtet.
Anlass zum Projekt gab der Rahmenvertrag Entlassmanagement, der im Oktober 2017 in Kraft getreten war. Im Hinblick auf die Arzneimittelversorgung sollte dieser einerseits den Informationsfluss von der Klinik zum niedergelassenen Bereich sowie zum Patienten stärken, erklärte Metzger. Das sollten ein Arztbrief und ein patientenverständlicher Medikationsplan sicherstellen. Andererseits sollte der Rahmenvertrag dazu beitragen, Versorgungslücken an dieser Schnittstelle zu vermeiden, etwa mithilfe des Entlassrezepts.
Sechs Jahre nach Inkrafttreten des Rahmenvertrags stelle sich die Frage: »Wurde die Versorgung für die Patienten verbessert?« Auf der Suche nach Antworten habe sich eine Projektgruppe gegründet, legte Metzger dar. Vier Arbeitsgruppen haben sich dabei den vier Maßnahmen Medikationsplan, Entlassgespräch, Entlassrezept und Entlassbrief gewidmet und sowohl bestehende Probleme benannt als auch Lösungsideen erarbeitet.
So würden etwa Medikationspläne und vor allem der bundeseinheitliche Medikationsplan (BMP) in der Praxis noch nicht flächendeckend genutzt, die Pläne seien häufig unvollständig und den Patienten fehle das Bewusstsein für den BMP und seine Notwendigkeit, schilderte Metzger. In der Offizin könnten Apotheker zum Beispiel dadurch gegensteuern, dass sie Patienten auf die Möglichkeit des BMP aufmerksam machen und seinen Nutzen erklären. »Wir müssen unsere Patienten stärken und aufklären«, forderte Metzger auf. »Am Schluss sind wir alle zusammen dazu da, diese Schnittstelle zu verbessern.«
Im Abschlussvortrag widmeten sich Professor Dr. Stefan Laufer und Professor Dr. Hans-Peter Lipp einer recht neuen Wirkstoffklasse, die allmählich im Versorgungsalltag ankommt: den Proteinkinase-Inhibitoren.
»Der erste Proteinkinase-Hemmer wurde 2001 in den Markt eingeführt«, blickte Laufer zurück. Imatinib brachte damals einen Durchbruch bei der Therapie der chronischen myeloischen Leukämie (CML) und habe für die Patienten »ein zweites Leben bedeutet«, so Laufer. Während die Lebenserwartung bei neu diagnostizierten Patienten zuvor auf etwa 18 bis 20 Monate beschränkt war, nähert sie sich heute jener der Allgemeinbevölkerung an. »Von den Patienten der Originalstudie, mit der Imatinib zugelassen wurde, leben heute noch 82 Prozent«, hob der Apotheker hervor.
Mittlerweile seien bereits 76 Kinase-Hemmer zugelassen und weitere 400 befänden sich in Phase III der klinischen Prüfung. Belief sich die Anwendung anfangs vor allem auf Krebserkrankungen, so weitet sich das Indikationsspektrum zunehmend aus, etwa auf chronisch entzündliche Erkrankungen wie rheumatoide Arthritis oder atopische Dermatitis. Nicht nur die Indikationen, auch die Wirkmechanismen würden »bunter«, so der Kinase-Experte. Das Feld der Proteinkinase-Inhibitoren entwickle sich »in jeglicher Beziehung weiter.« Künftig könnten sie etwa auch bei Multipler Sklerose oder Influenza zum Einsatz kommen.
Praktisch gesehen handelt es sich bei den Proteinkinase-Inhibitoren etwa im Hinblick auf Nebenwirkungen und Pharmakokinetik um keine einheitliche und somit beratungsintensive Wirkstoffklasse, machte Lipp deutlich. So empfehle es sich etwa, Imatinib zu den Mahlzeiten einzunehmen, um gastrointestinalen Nebenwirkungen vorzubeugen. Nilotinib, das ebenfalls bei CML zum Einsatz kommt, solle hingegen eine Stunde vor oder zwei Stunden nach dem Essen eingenommen werden. Denn stark fetthaltige Nahrung kann die Exposition des potenziell QT-Zeit-verlängernden Arzneistoffes stark erhöhen.
Jede Substanz habe »etwas Eigenes zu erzählen«, erklärte der Apotheker. Substanzklasseneffekte gebe es nicht, stattdessen von Substanz zu Substanz unterschiedliche Profile.