Wie klappt das Entlassmanagement? |
Carolin Lang |
05.05.2023 16:30 Uhr |
Die Entlassung von Patienten aus dem Krankenhaus bringt für die sichere Arzneimitteltherapie einige Herausforderungen mit sich. / Foto: Adobe Stock/nimito
Zum Hintergrund: Im Oktober 2017 trat der Rahmenvertrag Entlassmanagement in Kraft. In puncto Arzneimitteltherapie habe der Vertrag im Wesentlichen zwei Ziele verfolgt, legte Professor Dr. Hanna Seidling, Leiterin der Kooperationseinheit Klinische Pharmazie am Universitätsklinikum Heidelberg, dar: »Zum einen wollte man sicherstellen, dass die Informationsweitergabe gesichert ist – sowohl an den weiterversorgenden Arzt als auch an den Patienten.« Das sollten ein Arztbrief einerseits und ein patientenverständlicher Medikationsplan andererseits sicherstellen. Zum anderen »sollten Versorgungslücken vermieden werden«, führte Seidling aus – mitunter durch die Möglichkeit, ein Entlassrezept auszustellen.
Wo stehen wir etwa fünfeinhalb Jahre nach Inkrafttreten des Rahmenvertrags? Im Dunkeln, wie Seidling deutlich machte: »Wir wissen weder, wie welche Maßnahme umgesetzt oder genutzt wird, noch was Förderfaktoren und Barrieren sind.« Dies sei der Ausgangspunkt dafür gewesen, dass sich die Arbeitsgruppe formiert habe. Unter dem Leitsatz »miteinander voneinander lernen« hätten Krankenhaus- und Offizinapotheker dabei Ideen entwickelt, das Entlassmanagement zu optimieren, ergänzte Nadine Metzger, Apothekerin und DPhG-Vizepräsidentin. Vier Fokusgruppen widmeten sich je einer Maßnahme.
Thema in Fokusgruppe 1 war der Medikationsplan, der Patienten bei Entlassung aus dem Krankenhaus mitgegeben werden soll. Anspruch auf einen solchen Plan haben Patienten, die drei oder mehr Medikamente einnehmen. Er soll Rx-Arzneimittel und Präparate der Selbstmedikation listen, ein einheitliches Format haben, vollständig, übersichtlich und patientenverständlich sein. Apotheken sind verpflichtet, den Medikationsplan auf Wunsch des Versicherten zu aktualisieren. »Letztlich will man damit den Informationsfluss verbessern«, erläuterte Metzger. »Wenn die Informationen besser fließen, wird auch die AMTS verbessert.«
In der Praxis würden Medikationspläne und vor allem der bundeseinheitliche Medikationsplan (BMP) aber noch nicht flächendeckend genutzt. Zudem seien die Pläne häufig unvollständig, den Patienten fehle das Bewusstsein für den BMP und seine Notwendigkeit und die Aktualität des Plans korreliere mit der Fehleranfälligkeit. »Wir müssen das Patienten-Empowerment stärken und über den BMP aufklären – in den Kliniken und Offizinen«, appellierte Metzger.
Fakultative Informationen sollten häufiger ausgefüllt und die Aktualität der Pläne sowie die Patientenverständlichkeit zum Beispiel durch Piktogramme verbessert werden, so die Vorstellungen der Arbeitsgruppe. Als konkrete Maßnahmen erarbeitete sie, dass Kliniken den BMP als Standard etablieren und Offizinapotheker die Patienten aktiv ansprechen sollten: »Sie haben etwas aus der Selbstmedikation gekauft. Sollen wir das auf Ihrem Medikationsplan aktualisieren?«
Fokusgruppe 2 beschäftigte sich mit dem Entlassgespräch. »Die Veränderung der Therapie ist während des Krankenhausaufenthalts eher die Regel als die Ausnahme«, schilderte Metzger. Dennoch wisse ein Teil der Patienten bei Entlassung nicht, inwiefern sich die Therapie verändert hat. Eine strukturierte und honorierte Entlassberatung hält die Arbeitsgruppe für sinnvoll – ob in der Klinik oder im ambulanten Bereich. Die Patienten sollten zu kritischen Aspekten der Medikation geschult und in ihre Therapie eingebunden werden. Doch »im Moment gibt es einfach nicht die Möglichkeit, das flächendeckend durchzusetzen«, räumte die Apothekerin ein. Bis dahin brauche es individuelle Lösungen.
So könnten etwa die pharmazeutischen Dienstleistungen (pDL) in der öffentlichen Apotheke dazu genutzt werden, den Übergang in den ambulanten Versorgungssektor zu erleichtern und Änderungen in der Therapie, die durch die Hospitalisierung entstanden sein könnten, zu erläutern.
Ein weiterer Fokus lag auf dem Entlassrezept, dessen Ausstellung der Rahmenvertrag erstmals ermöglichte, erinnerte Seidling. Die Einführung kam »mit einem Bündel an formalen Anforderungen«, die die Umsetzung für die Kliniken erschwert habe. In einem Kooperationsprojekt mit dem Deutschen Arzneiprüfungsinstitut (DAPI) hat die Arbeitsgruppe die Nutzung des Entlassrezeptes über die Jahre untersucht. Das Ergebnis: Es werden zunehmend Entlassrezepte ausgestellt. Im Dezember 2021 lag der Anteil an allen Rezepten demnach insgesamt bei etwa 0,45 Prozent. Die genauen Ergebnisse der DAPI-Erhebung sollen noch veröffentlicht werden.
Probleme bei der Belieferung im ambulanten Bereich entstünden aktuell vor allem durch formale Fehler, unklare Verordnungen, unklare Einnahmehinweise/Dosierungen oder das Nichtvorhandensein der kleinsten Packungsgrößen, stellte Metzger dar. Schulungen zur Ausstellung von Entlassrezepten für Klinikärzte könnten hier helfen. Die Belieferung durch öffentliche Apotheken würde es hingegen erleichtern, wenn bei Nichtverfügbarkeit der kleinsten Packungsgröße auch die Abgabe einer größeren Packung möglich wäre. »Das gilt heute schon bei den Ersatzkassen, aber nicht bei den Primärkassen«, erinnerte Seidling.
Die vierte und letzte Fokusgruppe widmete sich dem Entlassbrief. »Vor dem Rahmenvertrag war klar, dass der Entlassbrief eine Baustelle ist, die man adressieren muss«, erläuterte Seidling. Deswegen sei hier spezifiziert worden, was in diesem Entlassbrief stehen müsse. Doch seien einige Formulierungen unklar.
Es stelle sich die Frage, ob der Entlassbrief mit den Anforderungen aus dem Rahmenvertrag besser wird und ob diese überhaupt umgesetzt werden, »aber bevor man dahin kommt, muss man in einem ersten Schritt operationalisieren, wie diese Kriterien zu interpretieren sind«, erklärte Seidling. Das strebe die Arbeitsgruppe nun in einem Folgeprojekt an.
Durch das Projekt sei klar geworden: »Es fehlt der systematische Überblick«, wie der Rahmenvertrag Entlassmanagement tatsächlich umgesetzt werde, resümierte Seidling. Um dem nachzugehen, läuft seit dem 17. April eine deutschlandweite Online-Umfrage in öffentlichen Apotheken und in Klinikapotheken. Bei der Teilnahme sei »noch Luft nach oben«, appellierte sie. Pro Apotheke soll nur ein Bogen ausgefüllt werden. Die Umfrageergebnisse sollen im Herbst 2023 veröffentlicht werden.
»Weiteres Ziel ist es, auch wenn diese Arbeitsgruppe jetzt einen ersten Abschluss gefunden hat, die vielen Projekte, Erhebungen und Anstrengungen weiter zu bündeln«, so Seidling abschließend.