Apothekenreform verletzt Grundrechte |
Jennifer Evans |
23.04.2024 18:00 Uhr |
Wenn der Gesetzgeber in die Berufsfreiheit der Apotheker eingreifen will, muss er das rechtfertigen, betonte der Jurist Professor Udo Di Fabio. / Foto: ABDA/André Wagenzik
Um dem Apothekensterben entgegenzuwirken, hat Bundesgesundheitsminister Professor Karl Lauterbach (SPD) vor, sogenannte Light Apotheken einzuführen, in denen statt approbierten Apothekern PTA stehen. Ob der Gesetzgeber die Präsenzpflicht aber einfach so lockern kann, untersuchte Professor Udo Di Fabio, ehemaliger Richter des Bundesverfassungsgerichts, im Rahmen eines Rechtsgutachtens im Auftrag der ABDA.
Grundsätzlich gilt die kontrollierte Abgabe von Arzneimitteln als eine Basis im deutschen Gesundheitssystem. Und der Staat hat die Pflicht, diese zu schützen. Das ergibt sich laut Di Fabio bereits aus dem Grundgesetz, in dem der Staat das Leben sowie die körperliche Unversehrtheit seiner Bürgerinnen und Bürger gewähren muss.
Um die Arzneimittelsicherheit zu fördern, habe der Gesetzgeber sogar einen Verfassungsauftrag, so der Jurist. Es bleibe jedoch ein gewisser Gestaltungsspielraum. Allerdings habe auch der seine Grenzen. Der Schutz der Menschen dürfe dabei genauso wenig auf dem Spiel stehen wie die freie berufliche Selbstbestimmung der Apothekerinnen und Apotheker. Praktisch muss der Eingriff in die Berufsbelange der Apothekerinnen und Apotheker also verhältnismäßig sein oder aber einem höheren Gemeinwohl dienen.
Hierzulande hat sich Di Fabio zufolge das Leitbild des sogenannten Präsenzapothekers etabliert. Denn die fachliche Beratung sowie die Kontrolle in der Apotheke erfordern die Qualifikation eines Pharmaziestudiums. Folglich könne auch die Abgabe von Arzneimitteln nur durch eine Apothekerin oder einen Apotheker erfolgen. Und das wiederum setze physische Anwesenheit voraus, so der Rechtsexperte und Hochschullehrer an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn.
Laut Gutachten folgt das Präsenzgebot dem Prinzip persönlicher pharmazeutischer Verantwortung. Der Gesetzgeber kann dieses Berufsbild demnach nur verändern, wenn er dies entsprechend begründet. Andernfalls wäre es als ein Eingriff in die Berufsfreiheit zu werten, so Di Fabio. Auch das existierende Mehrbesitzverbot ziele in die Richtung pharmazeutischer Verantwortung, bekräftige diese sogar. Ein Apotheker darf bis zu drei Filialapotheken leiten, die in räumlicher Nähe zueinander liegen müssen.
Rund um die Präsenzpflicht ist seiner Ansicht nach ein »gesetzlich außerordentlich dicht regulierter Beruf« entstanden. Der Jurist denkt neben dem Abgabemonopol da etwa an die Anforderungen an Betriebsräume, die »kennzeichnend und substanziell« für das gesetzlich gefasste Berufsbild Präsenzapothekers sind.