Apothekenproteste bewegen zum Umdenken |
Daniela Hüttemann |
28.11.2023 13:00 Uhr |
Beide appellierten an die Hamburger Apothekerinnen und Apothekern, die Phase nach der Protestwelle im November zu nutzen, um mit den nun sensibilisierten Politikern und Politikerinnen zu sprechen, ob im Bezirk, in der Bürgerschaft und mit den Bundestagsabgeordneten ihrer Wahlkreise, denn dort tut es ihnen weh, wenn die Apotheken bedroht sind und die Wähler entsprechend unzufrieden sind. Den Menschen müsse klar werden, dass weniger Apotheken nicht angesichts der älter werdenden Gesellschaft nicht immer mehr Patienten versorgen können, ohne dass es zu längeren Wartezeiten, weiteren Wegen und mehr Abstrichen kommen würde. Da helfen auch keine »Apotheken light«, die keine Notdienstverpflichtung und direkte apothekerliche Beratung haben sollen, wie Lauterbach sie plant.
»Nutzen Sie alle die Bürgersprechstunden, laden Sie sie Politiker in Ihre Apotheken ein«, bat Siemsen, der selbst immer wieder hier aktiv ist. Vielen müsse man leider immer noch erklären, was der Unterschied zwischen Umsatz und Ertrag einer Apotheke ist. Dieser leise, aber breite Protest müsse beharrlich fortgeführt werden. Dafür können sich Apothekenteams auch von Kammer oder Verband briefen lassen und Argumentationshilfen der ABDA nutzen.
Wichtige Kennzahlen sind dabei zum Beispiel, dass mittlerweile 10 Prozent der Apotheken rote Zahlen schreiben; ein Drittel der Inhabenden hat am Monatsende nicht mehr übrig als ein angestellter Apotheker im Krankenhaus oder gar bei einer Krankenkasse. Die Apothekenvergütung macht nur 2 Prozent der GKV-Ausgaben aus, während die Verwaltungskosten der Kassen doppelt so hoch sind; um nur einige zu nennen.
Overwiening erinnerte aber auch daran, dass es auch nicht nur um eine Honorarerhöhung gehe, sondern die Kernforderungen der Apotheker unter anderem auch weniger Bürokratie und Retax sowie mehr Möglichkeiten für eine interprofessionelle Zusammenarbeit und mehr Handlungsfreiheiten bei der schnellen Versorgung der Patienten umfassen.
»Egal, was wir bislang mit unseren Protesten geschafft haben und was nicht, wir sind auf jeden Fall sichtbar geworden – jetzt ist es wichtig, sichtbar zu bleiben«, so Overwiening. Man werde in den nächsten Wochen weiter auf Standesebene viele Gespräche führen, auch mit Lauterbach. Vor allem grüne und SPD-Abgeordnete müssten überzeugt werden, um in ihren eigenen Parteien für Vernunft zu sorgen, was die Liberalisierungs-Pläne Lauterbachs angeht.
Dass nicht alle mit dem zufrieden sind, was im Ministerium passiert, zeigen beispielsweise die Statements von Niedersachsens Gesundheitsminister Andreas Philippi (SPD), Baden-Württembergs Gesundheitsminister Manfred Lucha (Grüne) oder gar Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck. Lauterbach trete »die alte Dame SPD« und das, wofür die Partei einmal stand, mit Füßen, meinte Siemsen – das merkten auch andere mit zunehmendem Unwohlsein.
Sollten all diese Gespräche nicht Früchte tragen, plant die ABDA weitere größere Aktionen, zu denen Overwiening noch nicht zu viele Details verraten wollte. Dabei sollen sich künftige Proteste an den Phasen des Gesetzgebungsverfahrens zur Reform der Apothekenstrukturen orientieren, um den größtmöglichen Effekt während der Beratungen zu erzielen. Es bleibe ein Marathon, den man aber gemeinsam schaffen könne.