Apotheken sollen PTA für Impfzentren freistellen |
Daniela Hüttemann |
19.11.2020 20:12 Uhr |
Welche Schritte genau erforderlich sein werden, um den Impfstoff applikationsfertig zu machen, gaben die Hersteller noch nicht bekannt. / Foto: Getty Images/Javier Zayas
Den Apotheken wird in der Coronavirus-Pandemie vieles abverlangt. Dabei haben sich die Apotheken vor Ort als »Fels in der Brandung« gezeigt, meinte Westfalen-Lippes Kammerpräsidentin und ABDA-Präsidentschaftskandidatin Gabriele Regina Overwiening bei der virtuellen Kammerversammlung der Apothekerkammer Schleswig-Holstein am Mittwoch. Dort stellte sie ihre Ideen für die Zukunft der Vor Ort Apotheke vor. Wie unter einem Brennglas sei sowohl der Öffentlichkeit als auch der Politik und nicht zuletzt Meinungsbildnern wie den Medien klar geworden, wie unverzichtbar die wohnortnahen Apotheken mit ihren vielfältigen Leistungen sind. »Da ist spürbar und sichtbar geworden, was immer schon da war, aber bislang kaum wahrgenommen wurde«, so Overwiening.
Und offensichtlich setzt die Politik weiter auf die Apotheken und ihre Mitarbeiter, um die Coronavirus-Krise zu bewältigen. So plant die Bundesregierung, dass Apotheken künftig Schutzmasken an besonders gefährdete Bevölkerungsgruppen abgeben sollen. Die Apotheker haben diesbezüglich durchaus geteilte Meinungen. Schleswig-Holsteins Kammerpräsident Kai Christiansen hält es grundsätzlich für eine gute Idee, schließlich kennen die Apotheken viele dieser Menschen und haben regelmäßig Kontakt zu ihnen. Als »ungünstig« kritisierte er jedoch das Vorgehen des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG), dieses Vorgehen erst über die Medien zu verkünden, ohne vorher bei den Apothekerkammern angefragt zu haben. Jetzt stünden bereits überall Kunden in den Apotheken, die es besser wüssten, auf welche Masken sie nun kostenlos Anspruch hätten, dabei ist die Verteilung (und deren Honorierung) außer in Bremen noch gar nicht abschließend geregelt.
»Aber nicht nur der Bundesgesundheitsminister plant mit den Apotheken vor Ort, auch der Landesgesundheitsminister Garg tut das«, verkündete Christiansen. Das Ministerium habe am Montag in der Apothekerkammer angefragt, ob es vorstellbar wäre, dass PTA aus Apotheken in den noch zu schaffenden Impfzentren bei der Rekonstitution der Impfstoffe mithelfen könnten. In der Diskussion begrüßten es die Delegierten der Apothekerkammer, dass die pharmazeutische Expertise angefragt wurde. »Das wir mitmachen werden, steht außer Frage, aber wie genau, ist noch zu klären«, stellte der Kammerpräsident fest.
Denn viele Apotheken sind bereits mit PTA unterbesetzt und diese dann während der Erkältungssaison freizustellen, könnte einige Betriebe vor Probleme stellen. Zudem sei noch unklar, wie viele Impfzentren an welchen Standorten geplant sind. Weiter ist noch offen, wie hoch der Zeitaufwand wäre? Wie würde der Einsatz pharmazeutischen Personals honoriert? Müssten sie unter apothekerlicher Aufsicht arbeiten? Und wie stünde es dabei um Arbeitsbedingungen und Versicherungsschutz?
Alles noch offene Fragen, die die Kammer mit dem Ministerium vorab klären will. Dann will die Kammer einen Aufruf starten und hofft, dass sich möglichst viele PTA melden, »um gegen eine entsprechende Honorierung diese verantwortungsvolle Aufgabe zu meistern«. »Damit zeigen wir einmal mehr, dass die Apotheke vor Ort mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unverzichtbar ist«, betonte Christiansen.
Alternativ oder zusätzlich schlugen die an der Kammerversammlung ebenfalls teilnehmenden Pharmazieprofessoren Regina Scherließ (Pharmazeutische Technologie und Biopharmazie) und Christian Peifer (Pharmazeutische und Medizinische Chemie) von der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel vor, Pharmaziestudenten im Hauptstudium einzusetzen. Sie seien ebenfalls qualifiziert, die Impfstoffe applikationsbereit zu machen. Im besten Fall könnten so bis zu 200 zusätzliche Hilfskräfte gewonnen werden. Peifer kündigte hier entsprechende Unterstützung bei der Organisation an.
Ein Vorteil der Studenten sei zudem, dass sie womöglich zeitlich flexibler eingesetzt werden könnten, denn die Zubereitung der Impfstoffe ist durchaus zeitkritisch und noch ist unklar, wie genau es ablaufen soll. Nach Informationen von Christiansen sollen die super tiefgekühlten mRNA-Impfstoffe noch im Zentrallager aufgetaut und auf Kühlschranktemperatur gebracht werden. Ab da gelte ein 48-Stunden-Fenster bis zur Verimpfung. Sie würden dann im Rahmen der regulären Kühlkette an die Impfzentren geliefert werden, wobei voraussichtlich bereits 24 Stunden verloren gehen werden. Dann müssen aus den voraussichtlichen Mehrdosen-Behältnissen die einzeln verimpfbaren Dosen applikationsfertig gemacht werden, vermutlich nicht unter Laborbedingungen. Welche Schritte genau erforderliche sein werden, ist noch unklar.
Die Delegierten waren sich einig, dass besser (angehendes) pharmazeutisches Personal diese wichtige Aufgabe übernehmen soll, als fachfremde Personen. Dazu werde vermutlich auch ein gewisses Lagermanagement gehören, zum Beispiel die Nachorderung von Kanülen und anderem Material.
Wie die Delegierte Kerstin Harder berichtete, sei auch bereits der Verband der Zytostatika-herstellenden Apotheken (VZA) um Hilfe gebeten worden. »Da können wir die Unterstützung der Pharmaziestudenten gut gebrauchen und sie bekommen gleich ein Gefühl für die wichtigen Aufgaben der Apotheken.«
Die Kammer will nun das Gespräch zum weiteren Vorgehen suchen. Die Apotheker hoffen nun auf eine pragmatische Lösung. Wie Peter Froese, Vorsitzender des Landesapothekerverbands Schleswig-Holstein, informierte, organisieren die Kassenärztliche Vereinigung und das Deutsche Rote Kreuz die Impfzentren im nördlichsten Bundesland. Die genaue Zahl stehe noch nicht fest. Voraussichtlich soll es circa zwei Impfzentren pro Landkreis geben, so Froese. Damit wird die Zahl vermutlich zwischen 30 und 40 liegen.
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