Apotheken im Aufbruch |
Unter dem Schlagwort Bürokratieabbau wollen die Berufsorganisationen aus dem Saarland Securpharm an den Kragen. Die Fälschungsschutzrichtlinie erzeuge einen riesigen Aufwand in den Apotheken ohne erkennbaren Mehrwert, so das Argument. Dem »Bürokratiemonster« stehe genau ein Fälschungsfall (Ozempic) gegenüber, der mithilfe von Securpharm zwar bearbeitet, aber nicht entdeckt worden sei.
Die Apothekerkammer Westfalen-Lippe möchte die Kolleginnen und Kollegen vor Ort mit besseren Rezepten entlasten. Der Gesetzgeber soll Maßnahmen schaffen, damit die Verordnungen ordnungsgemäß ausgestellt und die Apothekenteams schneller versorgt werden können. Die LAK Hessen will bestimmte Dokumentationspflichten gestrichen sehen und die Dokumentation automatisieren.
Eine Ebene höher zielt der Antrag von Kammer und Verein des Saarlandes, die die Bundesregierung auffordern, ein »Ministerium für Bürokratieabbau« einzurichten.
Und damit ist der Weg zum letzten großen Block der Antragsmappe »Digitalisierung« eröffnet. Die Kammern aus Nordrhein und Westfalen-Lippe wollen gegen Plattformen im Netz vorgehen, bei denen Kunden mit geringem Aufwand Rezepte und verschreibungspflichtige Arzneimittel ordern können. Vorschlag: Die Bundesnetzagentur soll bei gravierenden und wiederholten Verstößen gegen arzneimittelrechtliche und gesundheitsbezogene Vorschriften ermächtigt werden, den Zugang zu diesen Plattformen in Deutschland zu sperren.
Die Kammer Nordrhein kann sich auch die Einführung einer Registrierungspflicht sowie eines verpflichtenden Qualitätssiegels für solche Plattformen vorstellen.
Die Bremer Kammer nimmt die Zuweisung ins Visier. Eine direkte Zusammenarbeit von Telemedizinanbietern und Versandapotheken soll laut Antrag vom Gesetzgeber verboten werden. Die Kollegen aus Hessen und Berlin schlagen einen anderen Weg vor: E-Rezepte sollen gemäß einer Vorgabe des Verordnungsgebers ausschließlich über die Telematik-Infrastruktur (TI) übermittelt werden. »Damit kann verhindert werden, dass E-Rezepte aus dem Ausland, die über Online-Plattformen ohne ausreichende ärztliche Konsultation ausgestellt wurden, in deutschen Apotheken eingelöst werden«, heißt es im Antrag.
Apropos E-Rezept: Nach wie vor viel Ärger im Apothekenalltag verursachen Praxen, die die E-Rezepte stapelweise signieren. Dadurch kommt es immer wieder vor, dass die Verordnungen in der Apotheke noch nicht abrufbar sind, wenn der Patient hier eintrifft. Mehrere Kammern und Verbände fordern daher eine gesicherte Verfügbarkeit von signierten E-Rezepten. Der Gesetzgeber soll gesetzliche und technische Rahmenbedingungen schaffen, die sicherstellen, dass Patienten unmittelbar bei Verlassen der Arztpraxis über ein signiertes elektronisches Rezept verfügen.
Die Apotheken können E-Rezept, aber die Infrastruktur schwächelt. Das behindert die schnelle Versorgung der Patienten. / © Imago/snowfieldphotography
Was die immer wiederkehrenden Ausfälle im E-Rezept-System betrifft, wird eine »umfassende Redundanz« der TI gefordert. Und: Apotheken sollen in die Lage versetzt werden, erlittene Umsatzverluste durch Ausfälle gegenüber Vertragspartnern geltend zu machen. Die Berufsorganisationen aus Westfalen-Lippe schlagen diesbezüglich vor, den Entwurf zum Gesundheits-Digitalagentur-Gesetz (GDAG) wieder aufleben zu lassen, der dem Ampel-Aus zum Opfer gefallen war.
Viel Positives konnte die Apothekerschaft der Amtszeit von Ex-Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) nicht abgewinnen. Zu weit lag dessen Konzept von einer »Apotheke ohne Apotheker« außerhalb des Zumutbaren. Doch ein Ansatz im Gesundes-Herz-Gesetz traf durchaus auf Zustimmung in der Apothekerschaft. Die Berufsorganisationen aus Bayern wünschen sich eine Neuauflage des Vorhabens, Vor-Ort-Apotheken verstärkt in die Beratung zu Prävention und Früherkennung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie tabakassoziierten Erkrankungen einzubinden.
Kammer und Verband aus Bayern nehmen zudem noch die Digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA) in den Blick. Sofern eine ärztlich gesicherte Indikation vorliegt, sollten Apotheken im Rahmen des Therapiekonzepts DiGA zulasten der Krankenkassen bereitstellen dürfen.
Insgesamt verspricht die Fülle der Anträge und Themen in diesem Jahr wieder spannende Diskussionen auf dem Deutschen Apothekertag. Über allem steht aber die Forderung nach einer nachhaltigen wirtschaftlichen Stärkung und Sicherstellung der Versorgung durch Vor-Ort-Apotheken. Entscheidend für den Grundtenor der Stimmung dürften daher die konkreten Reformvorschläge von Ministerin Warken werden. Die Erwartungen sind groß.
Alexander Müller hat Politikwissenschaften in Frankfurt am Main und La Paz, Bolivien, studiert und als freier Journalist gearbeitet. Nach einem Volontariat war er beim Branchendienst Apotheke Adhoc tätig, zuletzt als Chefredakteur. Seit August 2023 ist er Chefredakteur der PZ und verantwortet das Ressort Politik/Wirtschaft.
Ev Tebroke studierte Kommunikationswissenschaften und Nordamerikastudien an der FU Berlin. Als Journalistin arbeitete sie im Bereich TV, Hörfunk und für diverse Zeitungen und Online-Medien, unter anderem als Redakteurin und Blattmacherin für die Zeitungen »Welt« und »Welt am Sonntag«. 2012 stieg sie bei der PZ als Redakteurin im Ressort Politik/Wirtschaft ein. Seit 2021 ist sie verantwortliche Redakteurin.