Gesundheitssystem braucht langfristige Perspektive |
26.09.2005 00:00 Uhr |
Dabei geht es Wolf vor allem um eine nachhaltige Verbesserung der Versorgung. Dies setzt voraus, dass alle Beteiligten bereit sind, Reformen wirken zu lassen. Der ABDA-Präsident warnte nachdrücklich davor, jetzt schon wieder über neue Gesetze nachzudenken. Das GKV-Modernisierungsgesetz (GMG) habe eine Vielzahl struktureller Änderungen bewirkt. Diese müssten sich in Ruhe entwickeln. Dies gelte vor allem für die integrierte Versorgung und die Stärkung wettbewerblicher Elemente in der Versorgung. Wolf: »Wir sind davon überzeugt, dass wir keine neue Reform benötigen, weil die letzte von 2004 noch wirkt und weiterhin umgesetzt werden muss.« Ganz wichtig sei es, dass die neue Regierung dazu die Geduld aufbringt und nicht vorschnell auf die nächste Reform zusteuert. »Von der Regierung erwarten wir die Einsicht, dass unser Gesundheitssystem eine langfristige Perspektive braucht.«
Wolf machte auch deutlich, dass die Apotheker sicherlich nicht die Gewinner des GMG seien. »Die Umstellung des Honorarsystems ging finanziell zu Lasten der Apotheker und kostete uns etwa 500 Millionen Euro. Wenn die Kassen heute auf ihre Überschüsse von rund 2 Milliarden Euro blicken, wissen sie, dass auch wir einen erheblichen Teil dazu beigetragen haben.« Kein anderer habe in diesem Jahr eine höhere Sonderzahlung geleistet als die Apotheker.
Wolf erläuterte den Journalisten, dass sich die Apotheker als Partner der Patienten verstünden. Der Deutsche Apothekertag stehe auch unter diesem Motto und beschäftige sich mit allen Themen der Arzneimittelversorgung. Denn an einem gebe es keine Zweifel: »Die Apotheker sind die Arzneimittelfachleute.«
Wolf sieht den Apotheker heute in der Rolle des Medikationsmanagers. So könne er die Wirksamkeit und Verträglichkeit der Arzneimitteltherapie verbessern. Dies nütze nicht nur den Patienten, sondern auch den Krankenkassen, denn mit einer optimierten Arzneimitteltherapie ließen sich nach Schätzungen 40 Prozent der arzneimittelbedingten Krankenhauseinweisungen vermeiden. Der ABDA-Präsident machte auch deutlich, dass dies der unabhängige, freiberufliche Apotheker am besten könne. Er müsse sich weder an Gewinnerwartungen seiner Aktionäre noch an den Vorstellungen der Industrie orientieren. Eine unabhängige Pharmazeutische Betreuung zähle zur Kernkompetenz der Apotheker.
Die Politik muss allerdings die Rahmenbedingungen stellen, die der Apotheker für seine Arbeit zwingend benötigt. Wolf: »Wer die Bevölkerung bedarfsgerecht und sicher mit Arzneimitteln versorgen will, muss sicherstellen, dass Arzneimittel nur in der Apotheke abgegeben werden dürfen.« Wem der Wettbewerb um Leistung und Qualität in der Arzneimittelversorgung wichtig sei, der stelle die einheitlichen Arzneimittelabgabepreise in der Apotheke sicher.
Eine klare Meinung hat der ABDA-Präsident zu den in der Vergangenheit immer wieder kritisierten Einkaufsvorteilen, die Pharmaunternehmen Apothekern gewähren: »Naturalrabatte sind in einem System, in dem gekauft und verkauft wird, nichts Unanständiges.« Und ABDA-Hauptgeschäftsführer Dr. Hans Jürgen Seitz stellte klar, dass es an den Kassen liege, ihrerseits Rabattverträge mit den Pharmaherstellern zu machen. Hier müsse die Diskussion um Rabatte geführt werden. Die Apotheker seien gerne bereit, bei der Umsetzung solcher Verträge zu unterstützen.
Auch wenn Wolf und Seitz bei den Leistungserbringern keinen dringenden Reformbedarf sehen, gesundheitspolitisch tatenlos dürfe die Regierung nicht bleiben. Eine Reform der GKV-Einnahmen sei unumgänglich. Diese müssten möglichst bald auf eine solide Basis gestellt werden.
Wünsche Angesichts der noch völlig unklaren Regierungsbildung konnte sich der Deutsche Apothekertag noch nicht mit dem neuen Regierungsprogramm auseinander setzen. Stattdessen hat er die Chance, Wünsche an die zukünftige Regierung zu formulieren, ergriffen.
Damit begann der ABDA-Präsident Heinz-Günter Wolf bereits auf der Pressekonferenz am Mittwoch. Sein größter Wunsch: Die neue Regierung sollte der letzten Gesundheitsreform, dem GKV- Modernisierungsgesetz (GMG), die Zeit gewähren, um sich in Ruhe entwickeln zu lassen. Der Fehler aus der Vergangenheit, jedes Jahr eine neue Reform einzuläuten, sollte nicht wiederholt werden.
Die Chancen, die die integrierte Versorgung bietet, können sich in der Tat nicht von heute auf morgen entfalten. Ergebnisse werden sich frühestens im nächsten Jahr einstellen. Mein Wunsch an die Krankenkassen: Auch sie sollten mehr Geduld aufbringen und nicht monatlich auf die Arzneikosten schielen. Für eine valide Bewertung, ob die integrierte Versorgung nun schon zu Kostensenkungen beigetragen hat, ist es noch zu früh.
Professor Dr. Hartmut Morck
Chefredakteur
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