OTC-Ausgrenzung war ein Fehler |
04.10.2004 00:00 Uhr |
Viel Hoffnung, dass die Politiker seiner Aufforderung nachkommen, hat der DAV-Vorsitzende allerdings nicht. Trotz der offensichtlichen Einsparungen bei Arzneimitteln, diskutierten Koalitionsvertreter bereits neue Eingriffe in die Arzneimittelversorgung. So habe Bundeskanzler Gerhard Schröder erst kürzlich im Bundestag gesagt, beim Mehrbesitz sei „das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht“. Keller: „Bei solchen Aussagen läuft es meinen Kolleginnen und Kollegen kalt den Rücken herunter.“
Unverständlich ist Schröders Position auch deshalb, weil die Arzneimittelversorgung der Bereich ist, in dem die Gesundheitsreform den größten Effekt entwickelt hat. Keller: „Die Einsparungen der Gesetzlichen Krankenversicherung von circa 1,7 Milliarden Euro sind im wesentlichen durch zwei Elemente erzielt worden. Einerseits durch die Umstellung der Arzneimittelpreisverordnung und die Verschärfung des Herstellerrabattes. Andererseits durch die Erhöhung von Zuzahlung und Leistungsausgrenzung.“ Hier sei vor allem die Ausgrenzung der nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel aus dem GKV-Leistungskatalog zu nennen.
Erneut bezeichnete Keller diese Regelung als „einen großen Fehler“. Es sei nicht nachvollziehbar, dass gerade nebenwirkungsarme Arzneimittel diskriminiert würden. Den Schaden hätten die Patienten, weil in vielen Fälle aus Kostengründen eine notwendige Behandlung mit OTC-Arzneimitteln unterbleibe.
Trotz des erfolgreichen Starts könne das Grüne Rezept dieses Defizit nicht ausgleichen. Deutliche Umsatzrückgänge in diesem Marktsegment bestätigen dies. Keller: „An der Tatsache, dass rezeptfreie Medikamente nun vom Patienten bezahlt werden müssen, kann auch das Grüne Rezept nichts ändern.“
Die Umstellung der Arzneimittelpreisverordnung auf das Kombimodell hat sich nach Kellers Überzeugung bewährt. Die bescheidenen Umsätze der Versandapotheken zeigten, dass Rosinenpickerei nun nicht mehr möglich sei. Es überrascht den DAV-Chef allerdings auch nicht, dass die Patienten der öffentlichen Apotheke treu bleiben und den Versendern die kalte Schulter zeigen. Natürlich kämpften die Apotheken um ihre Kunden und in der wohnortnahen Versorgung der Patienten seien sie eben besser als die Versender.
Gute Resonanz auf Barmer-Service-Apotheke
Seinem eigenen Verband bescheinigte Keller für die vergangenen zwölf Monate gute Leistungen: „Die Liberalisierung im Vertragswesen der GKV und der Leistungserbringer führte zu erheblichen Verhandlungsaktivitäten des Deutschen Apothekerverbandes.“ Unmittelbar nach der Verabschiedung des GKV-Modernisierungsgesetzes habe der DAV mit der Barmer Ersatzkasse den Hausapothekenvertrag abgeschlossen, den nun rund 70 Prozent der Apotheker in die Praxis umsetzten.
Der Vertrag zwischen Barmer und DAV hat für die Apotheker auch den Einstieg in die Integrierte Versorgung erleichtert. Gemeinsam mit der Barmer und dem Hausärzteverband werde der DAV bis zum Jahresende einen Vertrag über die hausärztliche Versorgung auf den Weg bringen, wobei die Hausapotheke ein wichtiger Bestandteil ist, sagte Keller. Die Gremien der Hausärzte und der Barmer hätten dem Vertrag mit großer Mehrheit zugestimmt.
Eine klare Position vertrat Keller bei der Elektronischen Gesundheitskarte. Die Karte wird von der Apothekerschaft aktiv vorangetrieben, allerdings müssten zwei Bedingungen erfüllt werden: Den Krankenkassen dürfte keinesfalls der Zugriff auf ein Rezept vor dessen Belieferung erlaubt werden. Außerdem werde die Apothekerschaft der Einführung der Karte nicht zustimmen, wenn diese neben dem elektronische Rezept nicht auch die elektronische Arzneimitteldokumentation enthalte.
Keller ärgerte sich über den kurzen Zeitraum den das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung den Leistungserbringern nach der Wiederaufnahme der von den Kassen unterbrochenen Gespräche gesetzt hatte. Nach wenigen Tagen der Prüfung sollten der DAV der immerhin 1000 Seiten umfassenden Vereinbarung am Tag der Expopharm-Eröffnung zustimmen. Dieser Zeitraum sei zu kurz, stellte der DAV-Chef fest. Zudem seien einzelne Punkte noch nicht ausformuliert, deshalb könne der DAV den Termin nicht einhalten. Die anderen Leistungserbringer verfuhren ebenso, worauf das BMGS mit heftiger Kritik reagierte.
Auch müsse der Versicherte wählen dürfen, ob seine Vorordnungen auf der Karte gespeichert oder online übermittelt werden sollen. Die Krankenkassen möchten den Online-Weg als Standard und die Kartenlösung lediglich als Absicherung etablieren. Keller fragte, warum die Kassen das Wahlrecht ablehnen: „Wenn die Kassen wirklich niemals und zu keiner Zeit auf der Wegstrecke des Rezeptes zwischen Arztpraxis und Apotheke in den Verordnungsdaten stöbern wollen, dann können sie auch dem Patientenwahlrecht zwischen beiden Wegen zustimmen.“ Für die Apotheker sei dies der „Lackmustest auf Glaubwürdigkeit“.
Höchst zufrieden zeigte sich der DAV-Vorsitzende mit den aktuellen Zahlen der Expopharm. Mit 426 Ausstellern auf 19.637 Quadratmetern konnte das Ergebnis um 15 Prozent gesteigert werden. Dies sei ein Beweis dafür, „dass die Unternehmen aus Industrie, Großhandel und die anderen Anbieter der diesjährigen Expopharm dem Marktpartner Apotheke einen hohen Stellenwert einräumen“.
© 2004 GOVI-Verlag
E-Mail: redaktion@govi.de