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Rezidivierende Harnwegsinfekte

Antiseptikum als Alternative zu Antibiotika

Frauen mit rezidivierenden Harnwegsinfekten können den ständig wiederkehrenden Infektionen durch die Einnahme des Antiseptikums Methenamin ebenso gut vorbeugen wie durch ein Antibiotikum. In Deutschland ist das Mittel allerdings nicht im Handel.
Annette Rößler
11.03.2022  17:00 Uhr

Bakterielle Harnwegsinfekte (HWI) sind vor allem ein weibliches Problem: Mehr als die Hälfte aller Frauen zieht sich im Laufe ihres Lebens mindestens einmal eine solche Infektion zu. Auch wenn die Spontanheilungsrate mit 30 bis 50 Prozent bei unkomplizierten HWI hoch ist, können die Symptome wie Schmerzen beim Wasserlassen, häufiges Wasserlassen und imperativer Harndrang belastend sein. Das gilt besonders, wenn es sich um rezidivierende HWI handelt, die definitionsgemäß bei mindestens drei symptomatischen Episoden innerhalb eines Jahres oder mindestens zwei Episoden innerhalb von sechs Monaten vorliegen.

Solche Patientinnen waren es, bei denen Forscher um Chris Harding von der Universität im englischen Newcastle upon Tyne aktuell in der von ihnen so bezeichneten »pragmatischen«, randomisierten, offenen Studie ALTAR zwei Möglichkeiten der medikamentösen Rezidivprophylaxe verglichen: einerseits Antibiotika, andererseits das Harnwegsantiseptikum Methenamin (Hexamethylentetramin). Letzteres besteht chemisch betrachtet aus drei verbrückten Sechsringen, bei denen an den Verbindungsstellen jeweils Stickstoff-Atome sitzen. Die antiseptische Wirkung beruht darauf, dass im sauren Milieu (pH unter 5,5) Formaldehyd abgespalten wird.

Wie die Forscher im Fachjournal »BMJ« berichten, nahmen 240 erwachsene Frauen an der Studie teil, die im Jahr zuvor durchschnittlich jeweils mehr als sechs symptomatische HWI-Episoden erlebt hatten. In die Intention-to-treat-Analyse gingen 102 Frauen ein, die ein Jahr lang prophylaktisch ein Antibiotikum anwendeten (einmal täglich Nitrofurantoin 50 oder 100 mg, Trimethoprim 100 mg oder Cephalexin 250 mg), und 103 Frauen, die ebenfalls für ein Jahr zweimal täglich 1 g Methenamin einnahmen. Die Studie sollte die Nicht-Unterlegenheit von Methenamin zeigen; diese definierten die Autoren als einen Unterschied von einer HWI-Episode pro Jahr zwischen den Behandlungsgruppen.

Leichter Vorteil für Antibiotika

In der antibiotisch behandelten Gruppe kam es durchschnittlich zu 0,89 HWI-Episoden pro Teilnehmerin und Jahr und in der Methenamin-Gruppe zu 1,38. Der absolute Unterschied betrug somit 0,49 HWI-Episoden pro Teilnehmerin und Jahr. Damit war trotz eines leichten Vorteils für die Antibiotika die vorab definierte Nicht-Unterlegenheit von Methenamin gezeigt. Nebenwirkungen waren überwiegend mild und kamen in der Antibiotika-Gruppe bei 24 Prozent der Probandinnen vor und in der Methenamin-Gruppe bei 28 Prozent.

Dieses Ergebnis zeigt aus Sicht der Autoren, dass Methenamin zur Prophylaxe von rezidivierenden HWI durchaus eine Möglichkeit zur Reduzierung des ansonsten hohen Antibiotika-Verbrauchs darstellen könne. In einem begleitenden Kommentar weist eine Gruppe um Professor Dr. Tammy Hoffmann vom Institute for Evidence Based Healthcare der australischen Bond University allerdings darauf hin, dass das in dieser Studie angelegte Nicht-Unterlegenheits-Kriterium von einer HWI-Episode pro Jahr durchaus diskussionswürdig sei. Die Studie biete jedoch betroffenen Patientinnen und ihren betreuenden Ärzten eine gute Grundlage für die gemeinsame Entscheidungsfindung bezüglich einer prophylaktischen Therapie.

In Deutschland wird die prophylaktische Gabe von Antibiotika in der S3-Leitlinie nur sehr zurückhaltend empfohlen. Generell solle die Indikation zu einer Antibiotikatherapie demnach kritisch gestellt werden, um unnötige Therapien zu vermeiden und Resistenzentwicklungen zu reduzieren. Methenamin stellt hierzulande allerdings keine Alternative dar, denn die Substanz ist laut Leitlinie »im deutschsprachigen Raum wegen des potenziell karzinogenen Formaldehyds nicht im Handel«.

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