Antidepressiva aus dem Kleiderschrank |
Jennifer Evans |
17.02.2023 07:00 Uhr |
Wirtschaftskrisen, soziale Unruhen oder Naturkatastrophen – an der Mode lässt es sich ablesen. Im Zweiten Weltkrieg entstanden aus der Not heraus praktische und einfache Looks mit sehr klaren Linien. Entbehrungsreiche Zeiten beflügelten auch immer die Kreativität. So nähten die Frauen aus ihren alten Kleidern oder Vorhängen oft neue Kreationen oder versahen Hosen und Oberteile mit Einsätzen, um ein Outfit leicht und kostensparend zu verwandeln. Besonders auffällig an der Mode der 1940er-Jahre war es laut Tillessen, dass sich die Menschen dem anderen Geschlecht »nicht vorrangig als Lustobjekt«, sondern als »brauchbarer Partner im täglichen Überlebenskampf« anboten. Demnach trugen nicht nur Männer, sondern auch Frauen utilitaristische Kleidung mit betont breiten Schultern, damit sie nicht mehr zart und zerbrechlich, sondern robust und zupackend wirkten.
Bekannt sind solche Erscheinungen auch aus der Französischen Revolution. Die vormals üppigen Damenkleider wurden schlicht. Dahinter steckte die Besinnung auf die innere Welt der Gefühle sowie die enttäuschten Erwartungen einer neuen Welt. Beides fand Ausdruck im zurückhaltend nüchternen Modestil.
Übrigens hinterließ die Coronazeit auch in anderen Designbereichen ihre Spuren. Zum Beispiel bei der Wohnungseinrichtung. Genau wie in der Mode gab es dort eine Tendenz zu lichten, beruhigenden Grau- und Beigetönen. Dem Trendforscher zufolge waren vor allem schlichte Einrichtungsgegenstände aus unbehandeltem Holz und Heimtextilien aus ungefärbten Naturmaterialien wie Wolle und Kaschmir oder Baumwolle und Leinen beliebt. »Mit ihrer Hilfe schufen wir uns das übersichtliche und unterkomplexe Interieur, das wir damals als Ausgleich zu unserer Überforderung durch die unübersichtliche und überkomplexe Neuordnung der Außenwelt brauchten«, schildert er.
Wie geht es aber nun mit der Mode nach der Coronakrise weiter? Sie werde wieder zu ihrer alten Rolle zurückkehren, weil wir emotional gefestigter seien, sagt Tillessen. Und meint damit, dass die Menschen Mode künftig weniger nutzen werden, um »Gefühle auszubalancieren«, sondern vielmehr, um »ihr Gehirn zu unterhalten«, also um Spaß an Mode haben. Er geht davon aus, dass der Nachholbedarf und Lebenshunger – wie in anderen Bereichen auch – ebenfalls Ausdruck in der Kleidung finden wird.
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