Ampel-Unterhändler planen Bürgertests und 3G am Arbeitsplatz |
Obwohl SPD, FDP und Grüne noch nicht gemeinsam regieren, basteln sie derzeit schon an gemeinsamen Gesetzesplänen. / Foto: imago images/Steinach
Obwohl SPD, Grüne und FDP noch nicht gemeinsam regieren, planen die möglichen Ampel-Koalitionäre derzeit ihr erstes gemeinsames Gesetz. Konkret geht es um Reaktionen auf die steigenden Coronavirus-Infektionszahlen. Laut einem Entwurf, der der PZ vorliegt, soll der bundesweite Ausnahmezustand nicht noch einmal verlängert werden und am 25. November beendet sein. Die voraussichtlichen Regierungspartner SPD, Grüne und FDP wollen zudem den damit verbundenen bisherigen Maßnahmenkatalog «abschalten» und durch einen kleineren, zeitlich befristeten Katalog ersetzen.
Auch ohne Ausrufung einer epidemischen Lage sollen die Bundesländer bis 19. März nächsten Jahres folgende Maßnahmen anordnen können: Abstandsgebote, Maskenpflicht, Hygienevorgaben für Gemeinschaftseinrichtungen wie Schulen oder Hochschulen, die Pflicht zur Vorlage von Impf-, Genesenen- oder Testnachweis (2G oder 3G) etwa für Veranstaltungen oder Restaurants und die Erhebung von Kontaktdaten von Besuchern und eine Pflicht für Betriebe zur Erstellung von Hygienekonzepten. Flächendeckende Schließungen von Schulen, Geschäften oder großflächige Verbote von Kultur- oder Sportveranstaltungen sollen nicht mehr möglich sein.
Die künftigen Ampel-Koalitionäre wollen im Zuge der Gesetzesänderung außerdem verschiedene andere Maßnahmen noch einmal bis März verlängern, die zur Abfederung der Corona-Krise eingeführt wurden: Eltern sollen weiterhin Kinderkrankentage nutzen können, falls ihre Kinder wegen Quarantäne-Anordnungen oder eingeschränktem Betrieb ihrer Schule oder Kita zu Hause bleiben müssen. Bis März verlängert werden sollen außerdem die Entschädigungsregelung für Beschäftigte bei Verdienstausfall, wenn sie in Quarantäne geschickt werden, die Möglichkeit der Impfstatusabfrage von Beschäftigten für Arbeitgeber bestimmter Berufsgruppen und der vereinfachte Zugang zu Sozialleistungen wie Hartz IV oder Kinderzuschlag. Für Arbeitgeber soll auch weiterhin die Pflicht bestehen, ihren Beschäftigten Tests anzubieten.
Bis zum 11. Oktober hatte der Bund mit Milliardensummen die «Bürgertests» finanziert. Mit dem Argument, dass sich nun fast jeder, der das möchte, auch impfen lassen kann, wurde das kostenlose Angebot für die meisten dann eingestellt. Laut Gesundheitsministerium hat das auch zu Anreizen für mehr Impfungen geführt. Kritiker hatten aber von Anfang an gesagt, dass das Ende der kostenlosen Tests auch den Überblick über die Infektionslage verschlechtern wird, weil mehr Infektionen unerkannt bleiben. Nun werden die Bürgertests voraussichtlich reaktiviert. Wenn man von möglichst vielen Infektionen wisse und die Dunkelziffer möglichst klein halte, gebe das mittelfristig mehr Sicherheit, sagte ein Sprecher der geschäftsführenden Bundesregierung.
Im Nachbarland Österreich ist dies bereits eingeführt: Alle Beschäftigten, die Kontakt zu anderen Menschen nicht ausschließen können, müssen getestet, genesen oder geimpft sein. Die Arbeitgeber sind verpflichtet, die Regel zumindest stichprobenartig zu kontrollieren. In Deutschland wird das nun wahrscheinlich auch so oder so ähnlich kommen: «Unter SPD, Grünen und FDP gibt es dazu einen Konsens, dass wir das vorantreiben wollen», sagte der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, Marco Buschmann, am Montag. Auch die Fraktionschefin der Grünen, Katrin Göring-Eckardt, sprach sich öffentlich dafür aus, ebenso wie für eine verstärkte Rückkehr von Beschäftigten ins Homeoffice.
Weitere Schritte: In einem Brief an die SPD-Abgeordneten kündigte SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese zudem Zuschläge für Krankenhäuser an, die Covid-Patientinnen und -Patienten versorgen. Wohl auch angesichts der Kritik, mit dem geplanten Aus für den Corona-Ausnahmezustand setze die Ampel in der dramatischen Corona-Lage das völlig falsche Signal, deutet Wiese die Bereitschaft für Nachbesserungen am Gesetzentwurf an: «Selbstverständlich setzen wir auch darauf, dass uns die parlamentarischen Anhörungen und Debatten helfen, das Ziel, möglichst viele Menschen zu schützen, zu erreichen.»
Bei einer Online-Pressekonferenz am heutigen Dienstagvormittag äußerten sich die drei gesundheitspolitischen Sprecherinnen Sabine Dittmar (SPD), Christine Aschenberg-Dugnus (FDP) und Maria Klein-Schmeink (Grüne) zu den Plänen. Alle drei Politikerinnen begrüßten es ausdrücklich die Beendigung der epidemische Notlage, damit die Machtausweitung der Bundesregierung beendet und der Bundestag wieder zur wichtigsten Instanz in Sachen Coronavirus-Maßnahmen werde. Dittmar erklärte, dass man das Gesetz bereits intensiv parlamentarisch berate und sowohl Bund als auch Ländern eine sichere Rechtsgrundlage für alle weiteren Maßnahmen geben werde. Die FDP-Politikerin Aschenberg-Dugnus kündigte an, dass schon am kommenden Donnerstag eine 1. Lesung im Bundestag stattfinden wird, in den beiden darauffolgenden Wochen folgen Anhörung sowie 2. und 3. Lesung.
Die drei Gesundheitsexpertinnen erklärten zudem, dass das Vorhaben noch durch zahlreiche Änderungsanträge ergänzt werden könnte. Dittmar (SPD) sagte beispielsweise, dass man gezielt die Impfquote vom Gesundheitspersonal in Kliniken und Pflegeeinrichtungen erhöhen wolle. Dazu sei zwar keine Impfpflicht geplant. Vorstellbar wäre aber ein »Monitoring«, bei dem sich beispielsweise Pfleger zu ihrem Impfstatus erklären müssten. Klein-Schmeink ergänzte, eine Coronavirus-Impfung müsse zum »ethischen Grundgerüst« von Menschen gehören, die im Gesundheitswesen arbeiten.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.