Ampel-Koalition knickt bei Ärzten ein |
Die Proteste von KBV-Chef Andreas Gassen (rechts) bei Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach bezüglich der Sparmaßnahmen haben in der Ampel-Koalition offenbar Eindruck hinterlassen. / Foto: picture alliance / Geisler-Fotopress
In dieser Woche soll das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz im Bundestag beschlossen werden. Mit dem Spargesetz will die Bundesregierung das während der Pandemie entstandene Milliarden-Defizit in der GKV auflösen. Insbesondere im Pharmabereich soll durch neue oder gesteigerte Rabatte gespart werden. Auch die Apotheken müssen mit einer zweijährigen Anpassung des Kassenabschlags zu den Einsparungen beitragen – rund 120 Millionen Euro pro Jahr erhalten die Apotheker weniger dadurch. In mehreren Pressekonferenzen bekräftigte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), dass es ihm bei dieser Reform wichtig sei, die Einsparungen auf mehreren Schultern zu verteilen und keine Berufsgruppe zu bevorzugen.
Auch die niedergelassenen Ärzte sollten eigentlich ihren Teil zur Sparreform beitragen. Konkret ist im Entwurf des Gesetzes vorgesehen, dass den Kassenärzten die extrabudgetäre Vergütung für die Aufnahme neuer Patienten gestrichen wird. Diese Regelung war mit dem Terminservicestellengesetz (TSVG) in der vergangenen Legislaturperiode eingeführt worden und sollte Anreize für Mediziner setzen, auch außerhalb der Sprechstundenzeiten neue Patienten aufzunehmen. Die dafür gezahlten Honorare bekommen die Ärzte seitdem unabhängig vom restlichen GKV-Budget, das ihnen zur Verfügung steht.
Die Verbände der Ärzteschaft protestierten heftig gegen diesen Plan. Die Mediziner attackierten auch Lauterbach persönlich. Auf der Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) präsentierten die Vertreterinnen und Vertreter einiger KV-Regionen Karikaturen von Lauterbach und warfen dem Minister vor, die Funktionsweisen, Abhängigkeiten und Zusammenhänge im Gesundheitswesen nicht verstanden zu haben. Zeitgleich starteten die Mediziner einen Konflikt mit den Krankenkassen. In einer schriftlichen Stellungnahme hatte der GKV-Spitzenverband gefordert, die Einsparungen im ärztlichen Bereich noch auszuweiten und das Ärztehonorar für einen bestimmten Zeitraum einzufrieren. Die KBV stoppte daraufhin die Zusammenarbeit mit den Kassen und zog sich aus gemeinsamen Gremien zurück.
Offenbar hat dieses Verhalten bei den Ampel-Koalitionären Eindruck hinterlassen. Der PZ liegt ein Änderungsantrag zur GKV-Sparreform vor, der neue, millionenschwere Honorarerhöhungen für Kassenärzte vorsieht. Die oben beschriebene Neupatientenregelung und die damit verbundenen Einsparungen sollen zwar nicht gestrichen werden. Haus- und Fachärzte sollen demnach allerdings neue Zuschläge zur Versichertenpauschale erhalten, wenn sie Patienten nach einer Vermittlung durch die Terminservicestellen schnell behandeln. Konkret sollen die Versicherten- und Grundpauschalen, die die Mediziner regelmäßig für die Behandlung ihrer Patienten abrechnen können, bei solchen schnellen Neuaufnahmen um bis zu 200 Prozent erhöht werden. Dabei gilt: Je mehr Zeit vergeht zwischen der Vermittlung durch die Terminservicestelle und der Behandlung, desto weiter sinken die Zuschläge. Selbst wenn die Behandlung innerhalb von 35 Tagen nach der Vermittlung stattfindet, erhalten die Ärzte noch einen Zuschlag von 40 Prozent.
Zur Erklärung: In der Regel können die Ärzte die Versichertenpauschale einmal pro Quartal und Versichertem den Kassen in Rechnung stellen. Die Pauschale ist je nach Alter des behandelten Patienten unterschiedlich hoch und unterscheidet sich auch zwischen den einzelnen KV-Regionen. Dabei gilt aber: Je älter der Patient, desto höher die Pauschale. Die abgerechneten Werte liegen zwischen 15 und 30 Euro pro Patient.
Hausärzte sollen künftig auch Zuschläge erhalten, wenn sie neue Patienten innerhalb einer gewissen Frist an einen Facharzt überweisen. Für die Mediziner ebenfalls von Bedeutung ist, dass diese neuen Pauschalen extrabudgetär vergütet werden sollen, sie können sich also nicht negativ aufs Gesamtbudget auswirken. Wie hoch die Mehreinnahmen für die Mediziner sein werden, beziffern die Koalitionäre in ihrem Änderungsantrag nicht.
Aber die Kassenärzte sind auch mit diesem Vorschlag der Ampel-Koalition nicht gänzlich zufrieden. KBV-Chef Gassen sagte: »Um es klar zu sagen: Ein stärkeres Einbringen der Terminservicestellen kann den Wegfall der Neupatientenregelung auf keinen Fall kompensieren. Das passt gar nicht und wären nur Bruchstücke.« Zur Erklärung: Die Terminservicestellen werden von den KVen selbst betrieben.
Der entsprechende Änderungsantrag soll dem Gesetz nun angehängt und noch vor dem möglichen Beschluss im Plenum am kommenden Donnerstag im Gesundheitsausschuss diskutiert werden. Bislang haben die Regierungsfraktionen mehrere Änderungsanträge für das Gesetz vorgelegt – eine Änderung an der Erhöhung des Kassenabschlags liegt zumindest bislang aber nicht auf dem Tisch. Einen Tag vor der Bundestagslesung wollen Apotheker in mehreren Regionen nochmals protestieren und haben einen Streik angekündigt.