AMK warnt vor Missbrauch von Tropicamid-Augentropfen |
Wendet man Tropicamid-Augentropfen missbräuchlich als Injektion an, können Atropin-ähnliche Wirkungen inklusive Halluzinationen auftreten. / Foto: Getty Images/Jasper James
Der AMK sind in den vergangenen anderthalb Jahren drei Verdachtsfälle eines potenziellen Missbrauchs Tropicamid-haltiger Augentropfen aus verschiedenen Apotheken gemeldet worden. Dabei legten Männer, vorwiegend junge Erwachsene, Verordnungen hoher Mengen solcher Augentropfen vor, zum Beispiel fünf Packungen Mydriaticum Stull® 10x10 ml – zum Teil als gefälschtes Privatrezept, zum Teil als mehrere Verordnungen verschiedener Ärzte.
Tropicamid wirkt als Muscarin-Rezeptorantagonist mydriatisch, also pupillenerweiternd, und akkomodationslähmend, das heißt, es hemmt das muskuläre Scharfstellen der Augenlinse und damit eine Anpassung an Weit- und Fernsicht. Mit solch einem Mittel »wird man getropft«, wenn beim Augenarzt eine Untersuchung ansteht. Mydriatika werden zudem zur Therapie entzündlicher Augenerkrankungen eingesetzt.
Wendet man die Augentropfen systemisch als Injektion an, können Atropin-ähnliche Wirkungen inklusive Halluzinationen auftreten. »Tropicamid wird auch im Zusammenhang eines Heroin-Abusus als Enhancer beschrieben, um die Opiatwirkung zu verstärken«, zitiert die AMK eine Studie aus dem Jahr 2022. Dieser zufolge ist eine missbräuchliche Anwendung aus Osteuropa bereits länger bekannt; dort haben sich die Absätze über drei Jahre stark erhöht von zwei auf 11 Millionen Einheiten. Ungewöhnliche Verkaufszahlen gebe es auch in Italien und Frankreich sowie einen Anstieg gefälschter Tropicamid-Rezepte. Der AMK lag bis Juli 2022 nur eine einzige Verdachtsmeldung vor.
Die AMK warnt nun vor schweren Nebenwirkungen bei systemischer Anwendung einschließlich Übererregbarkeit und Verwirrtheit, Gedächtnis- und Verhaltensstörungen sowie Tachykardie bis hin zu Delirium und akuter Psychose.
Die AMK bittet Apothekerinnen und Apotheker, bei Vorlage von Tropicamid-Verordnungen verstärkt auf Auffälligkeiten wie eine hohe Verordnungsmenge zu achten. Sie empfiehlt, »im vertraulichen und verständnisvollen Patientengespräch zunächst konkrete Informationen über die Art der Anwendung und die Indikation zu erfragen und angemessen über die potenziellen Risiken zu informieren«. Bei Rezeptfälschung ist die Abgabe zu verweigern. Auch bei konkretem Missbrauchsverdacht könne die Abgabe verweigert werden. Die AMK verweist dazu auf den Leitfaden der Bundesapothekerkammer zu Arzneimittelmissbrauch und bittet, entsprechende Verdachtsfälle unter www.arzneimittelkommission.de zu melden.