Ärzte protestieren gegen Gesundheitspolitik |
dpa |
02.10.2023 17:15 Uhr |
Mit Demos und Praxisschließungen protestierten heute bundesweit Ärztinnen und Ärzte gegen die aktuelle Gesundheitspolitik. / Foto: IMAGO/Christian Ohde
Zum Wochenbeginn sind in Deutschland viele Arztpraxen geschlossen geblieben. Am Brückentag versammelten sich niedergelassene Ärztinnen und Ärzte zu Protesten gegen die Gesundheitspolitik der Bundesregierung. Bei einer zentralen Demonstration in Berlin legten Mediziner symbolisch ihre Kittel vor die Tür des Bundesgesundheitsministeriums, um darauf hinzuweisen, »dass immer mehr Praxen sterben werden, wenn die geplante Sparpolitik unverändert umgesetzt wird«, wie es in einem Protestaufruf hieß. Bei Krankenkassen und Patientenschützern stießen die Aktionen auf Kritik.
Der Virchowbund als Verband der niedergelassenen Ärzte hatte unter der Überschrift »Praxis in Not« mit drastischen Worten zu Schließungen und Demonstrationen aufgerufen. Man sei »ausgeblutet« und »ausgehungert«, und immer mehr Praxen schlössen ohne Nachfolger. Wie viele Praxen sich deutschlandweit am Protest beteiligten, konnte der Verband zunächst nicht beziffern, da es keine genauen Rückmeldungen zur Teilnahme gab. Vorab war man von einer fünfstelligen Zahl geschlossener Praxen ausgegangen. Knapp 20 Ärzteverbände sowie die Kassenärztlichen Vereinigungen schlossen sich den Protesten an, Apotheken ebenso.
Die Mediziner kritisieren sowohl kurzfristige als auch »langjährige Fehlentwicklungen«, wie eine Sprecherin des Virchowbunds auf Nachfrage sagte: Belastungen durch viel Bürokratie, etwa bei der Dokumentation von Behandlungen, gestiegene Energiekosten, Abstürze und IT-Fehler bei digitalen Anwendungen wie dem E-Rezept oder der E-Patientenakte, die vom Staat »erzwungen« würden, Nachwuchs- und Fachkräftemangel. »So schmerzhaft das sein mag: Das Szenario massenhaft geschlossener Praxen wie heute droht als Dauerzustand im ganzen Land«, warnte der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung Andreas Gassen, der Verständnis für die Proteste zeigte.
Konkret richteten diese sich gegen die Krankenkassen und auch direkt gegen Gesundheitsminister Karl Lauterbach: Der SPD-Politiker sei ein »Krankenhaus-Minister«. »Für Kliniken werden Milliardenhilfen gegen die Preisexplosion aufgelegt. Für Arztpraxen gibt es keine staatliche Hilfe«, lautete die Kritik. Ein Dauer-Ärgernis aus Sicht der Praxisinhaber ist zudem das Thema Budgetierung. Es gibt feste Summen für Behandlungen. Um die Kosten im Gesundheitswesen einzudämmen, war das System Mitte der 1990er Jahre eingeführt worden. Bemängelt wird immer wieder, dass das Geld aber bereits vor Quartalsende aufgebraucht ist und Ärzte dadurch quasi unbezahlt weiterarbeiten, etwa wenn mehr Patienten kommen. Die Ampel-Koalition hatte sich im Koalitionsvertrag vorgenommen, die Budgetierung im Hausarztbereich aufzuheben. Bisher ist das aber nur im Bereich Kinderärzte passiert.
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