Ärzte laufen Sturm gegen pharmazeutische Dienstleistungen |
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Das berufspolitische Verhältnis der Apotheker und Ärzte ist derzeit angespannt. Seit dem Start der Modellvorhaben zu Grippeimpfungen in Apotheken laufen die Mediziner Sturm gegen alle möglichen Dienstleistungsausweitungen in den Apotheken. Dass die Pharmazeuten nun flächendeckend gegen Influenza und Covid-19 impfen dürfen, hatte in den vergangenen Monaten zu heftigen Protesten seitens der Mediziner geführt. Vereinzelt hatte die Standesvertretung der Kassenärzte ihre Mitglieder sogar dazu aufgefordert, den Sprechstundenbedarf nur noch im Online-Handel zu bestellen. Auch das Dispensierrecht wurde mehrfach als politische Gegenforderung ins Spiel gebracht.
Nun haben die Ärzte ein neues Apotheken-Thema, das in ihren Reihen für Ärger sorgt: die pharmazeutischen Dienstleistungen. Am vergangenen Freitag wurde der schriftliche Schiedsspruch zu den Dienstleistungen bekannt – die PZ berichtete ausführlich. Konkret dürfen die Apotheken ab sofort fünf verschiedene Dienstleistungen anbieten, darunter auch Blutdruckmessungen und Beratung zu Inhalativa. (Hier finden Sie eine Liste aller Dienstleistungen) Die neuen Services werden mit Honoraren von bis zu 90 Euro vergütet.
Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der KBV, nannte den von der ABDA veröffentlichten Katalog pharmazeutischer Dienstleistungen »inhaltlich fragwürdig und teuer«. Gassen geht es insbesondere um die Vergütung – denn im Umkehrschluss fordert der KBV-Chef nun eine Honorarerhöhung für die Mediziner: »Offenbar scheinen die Krankenkassen über genügend finanzielle Mittel zu verfügen. Da wäre es nur folgerichtig, die letztlich fundiertere ärztlich-medizinische Betreuung mindestens auf das den Apotheken zugestandene Finanz-Niveau anzuheben. Die niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen erbringen die gleichen Leistungen trotz der besseren fachlichen Qualifikation derzeit zu einem deutlich geringeren Satz Das kann nicht sein«, führte Gassen aus.
Auch Stephan Hofmeister, stellvertretender KBV-Vorstandsvorsitzender, ist verärgert. »Das ist ein fundamentaler Angriff auf die hausärztliche Versorgung, der angesichts der Versprechungen der Politik, die hausärztliche Versorgung stärken zu wolle, fast schon zynisch anmutet. Nur die Ärztinnen und Ärzte weisen eine qualifizierte Heilkundeerlaubnis auf, die unter anderem die Anamnese, Untersuchung, Diagnostik und Differenzialdiagnosen sowie Pharmakotherapie umfasst. Die Apotheker haben dieses Wissen nun einmal nicht«, erläuterte er.
Wenn es um Kritik an neuen Apotheken-Leistungen geht, ist zumeist auch der Deutsche Hausärzteverband (DHÄV) mit von der Partie. DHÄV-Chef Ulrich Weigeldt erklärte: »Es ist nun genau das passiert, was wir seit Beginn der Diskussion befürchtet haben: Durch die Einführung der so genannten pharmazeutischen Dienstleistungen werden die Versorgung weiter zerstückelt und hausärztliche Aufgaben ausgelagert. Beim Medikationsmanagement werden in Zukunft neben den Krankenhäusern und diversen Fachärztinnen und Fachärzten auch noch die Apothekerinnen und Apotheker verstärkt mitmischen. Am Ende werden die Hausärztinnen und Hausärzte diejenigen sein, die für die Patientinnen und Patienten diese ganzen unterschiedlichen Beratungen zusammenbringen und bewerten müssen. Diese Entwicklung ist genau das Gegenteil von dem, was gute Versorgung ausmacht.«
Weigeldt wolle damit keine »mangelnde Wertschätzung« am Apothekern kundtun. Vielmehr kritisiere er, dass die Versorgung so weiter zersplittert worden sei. Klar ist für ihn: »Was gar nicht geht ist, wenn Apothekerinnen und Apotheker durch Änderung der Dosierungen in die Therapie eingreifen.« Er wünschte sich zudem, dass die Honorierung der Hausärzte für Medikationsberatungen nicht unter den 90 Euro der Apotheker liegen.
Auch der MEDI-Verbund Baden-Württemberg, in dem sich eigenen Angaben zufolge rund 5000 Niedergelassene versammeln, veröffentlichte eine entsprechende Mitteilung. Der Verbund findet, dass die »unverantwortbare Substitution ärztlicher Leistungen« voranschreite. Werner Baumgärtner, Vorstandsvorsitzender des MEDI Baden-Württembergs sagte, dass das Problem nicht die Apothekerinnen und Apotheker seien, sondern die Politik. »Es wird versucht mit Ideologie die ambulante Versorgung von Ärztinnen und Ärzten auf andere Heilberufe zu verlagern – ohne Sachverstand und Rücksicht auf die Versicherten.« Es ist unverantwortlich, solche Beratungen ohne ärztliches Wissen und in Konkurrenz zu den behandelnden Ärztinnen und Ärzten den Apothekerinnen und Apothekern zu übertragen. »Wer Patientinnen und Patienten berät und behandelt, sollte nicht nur Medizin studiert haben, sondern klinische Erfahrung auf Facharztniveau haben«, so Baumgärtner weiter. Man beobachte, dass das Gesundheitswesen mehr und mehr zu einem Markt umgebaut werde, an dem auch »neue Player« teilnehmen. Auch der Medi-Verbund fordert mit Blick auf die Tätigkeiten der Mediziner während der Pandemie zudem eine bessere Vergütung der niedergelassenen Ärzte
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