Ärzte kritisieren verzögerten Impfstart in Praxen |
Eigentlich sollten Haus- und Fachärzte schon ab Anfang April gegen Covid-19 impfen dürfen. Nun verzögert sich der Impfstart nochmal um mehr als zwei Wochen. / Foto: Getty Images/Luis Alvarez
Ziel sei frühestmöglich, jedoch spätestens in der Woche vom 19. April damit zu starten, beschlossen die Minister nach Beratungen am Mittwoch. Dafür brauche es aber auch eine gewisse wöchentliche Mindestmenge an Impfstoff, hieß es im Bundesgesundheitsministerium. Ursprünglich sollten die Hausarztpraxen flächendeckend bereits ab Anfang April mit dem Impfen starten. Um dem Wunsch der Länder entsprechen zu können, ihre Impfzentren wie bisher auszulasten, könnten die Praxen aber wohl erst Mitte April starten. Einzelne Länder können demnach bis zum 19. März auch ein «Opt-out» erklären und im April noch nicht routinemäßig in den Arztpraxen impfen. Zudem soll eine neue Impfverordnung mehr Tempo in die Impf-Kampagne bringen. Der bisher Jüngeren vorbehaltene Impfstoff des Herstellers Astra-Zeneca kann künftig allen gespritzt werden. An den Grenzen zu Corona-Hotspots im Ausland können abweichend von der Impfreihenfolge alle Menschen geimpft werden.
Die Empfehlung der Fachminister soll nun Basis für Entscheidungen von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und den Ministerpräsidenten der Länder sein, wie Regierungssprecher Steffen Seibert angekündigt hatte. Dies solle «zeitnah» noch vor der nächsten Bund-Länder-Runde zum weiteren Corona-Vorgehen am 22. März geschehen.
Der Vorsitzende der Länder-Gesundheitsmister, Klaus Holetschek (CSU) aus Bayern, sagte, künftig stehe die Impfstrategie auf zwei Säulen. «Wir binden ab April die Hausärzte ein, und wir halten an der bewährten Struktur der Impfzentren fest, die die Bundesländer in den vergangenen Monaten aufgebaut haben.» In der Anfangsphase im April werde noch nicht genügend Impfstoff zur Verfügung stehen, damit Ärzte im ganzen Land voll durchstarten könnten. «Aber wenn die Lieferungen so kommen, wie der Bund sie uns in Aussicht gestellt hat, dann können wir die Impfungen bei den Ärzten schnell hochfahren.» Dem Beschluss zufolge sollen die Impfzentren im April pro Woche mit 2,25 Millionen Dosen beliefert werden. Darüber hinaus verfügbare Impfstoffe sollen demnach «frühestmöglich» an Praxen gehen.
Die Impfstoff-Belieferung der Praxen soll wie üblich über die Apotheken erfolgen, heißt es in einem Beschluss von Bund und Ländern. Diese werden über den Großhandel beliefert. Der pharmazeutische Großhandel wiederum »erhält seine Lieferungen direkt aus dem Zentrallager des Bundes oder vom Hersteller«. Die Kosten, die dabei entstehen, sollen durch Festzuschläge gedeckt werden, für die der Bund aufkommt. Über ein entsprechendes Vertriebskonzept der Apotheker und des Großhandels hatte die PZ bereits berichtet. Zudem soll über den gesamten Distributionsweg die »notwendige Transparenz und Nachvollziehbarkeit« sichergestellt werden. Je Arztpraxis werde es zudem zunächst eine Obergrenze für die Bestellmenge der Impfstoffe geben, heißt es in dem Papier.
Der Vorsitzende des Deutschen Hausärzteverbandes, Ulrich Weigeldt, hat die Verzögerung beim Start der Corona-Impfungen in den Hausarztpraxen kritisiert. «Wir sind nicht nur bereit, wir scharren seit Wochen ungeduldig mit den Hufen», sagte Weigeldt im Deutschlandfunk. Der Hausärzteverband wolle bei der Durchimpfung der Bevölkerung endlich «tatsächliche Ergebnisse» haben. «Ich kann nicht verstehen, dass man sozusagen das Volk im Lockdown hält, anstatt zu impfen, um irgendwelche Impfzentren weiter zu bedienen», sagte Weigeldt.
Der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, erwartet den Impfstart in Arztpraxen jedoch frühestens im Mai - und nicht wie von der Bundesregierung geplant spätestens ab dem 19. April. Bei der Gesundheitsministerkonferenz am Mittwoch sei entschieden worden, dass der Impfstoff zunächst weiter an die Impfzentren gehe, «sodass ich die Haus- und Fachärzte im April eher nicht im Impfgeschehen sehe, weil sie schlicht und ergreifend nicht genug Impfstoff bekommen werden», sagte Gassen am Donnerstag im ZDF-«Morgenmagazin». Er gehe davon aus, dass «wir auf diese Ressourcen wohl dann erst im Mai zurückgreifen können und es bei dem bisherigen Impftempo bleiben dürfte».
Gassen zufolge habe die KBV angesichts des schleppenden Impfstarts damit gerechnet, dass die Ärzte schon «sehr viel früher» in die Impfstrategie eingebunden würden. Fünf Millionen Impfungen könnten in den Praxen «ohne größere Anstrengungen» pro Woche geleistet werden. Am Mittwoch kündigte er an, dass mithilfe der Ärzte rund 20 Millionen Impfungen pro Monat durchgeführt werden könnten, sofern genügend Impfstoff da ist.
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