Aerosole flogen über mehr als acht Meter |
Sven Siebenand |
23.07.2020 16:48 Uhr |
Im Zerlegebereich für Rinderviertel beim Fleischverarbeiter Tönnies in Rheda-Wiedenbrück erfolgten wahrscheinlich viele SARS-CoV-2-Infektionen. / Foto: picture alliance/dpa | Guido Kirchner
In einer Studie des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung, des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf und des Heinrich-Pette-Instituts (HPI), Leibniz-Institut für Experimentelle Virologie, wurden die Ursprünge des ersten SARS-CoV-2-Ausbruchs im Mai 2020 beim Fleischverarbeiter Tönnies in Rheda-Wiedenbrück näher untersucht. Mittlerweile sind im Zusammenhang mit dem massiven Corona-Ausbruch bei Tönnies insgesamt schon mehr als 2000 Infektionsfälle festgestellt worden. In einer Pressemitteilung informiert das HPI, dass die Ergebnisse der Untersuchung um Erstautor Thomas Guenther vom HPI auf einem Preprint-Server veröffentlicht wurden.
Die Forscher haben sich die Mühe gemacht, die initialen Übertragungsereignisse nachzuvollziehen. Demnach wurde das Virus ausgehend von einem einzigen Mitarbeiter auf mehrere Personen in einem Umkreis von mehr als acht Metern übertragen, aller Voraussicht nach ein sogenannter Superspreader. Die hauptsächliche Übertragung fand im Zerlegebereich für Rinderviertel statt, in dem die Luft umgewälzt und auf zehn Grad Celsius gekühlt wird. Demgegenüber spielte die Wohnsituation der Arbeiter während der untersuchten Phase des Ausbruchs keine wesentliche Rolle. Die Auswertung der Virussequenzen zeigt, dass sich alle SARS-CoV-2-positiv getesteten Personen aus dem Infektionscluster im Mai 2020 eine neue Kombination von acht Mutationen teilen, die zuvor noch nicht beobachtet worden war.
»Unsere Ergebnisse weisen darauf hin, dass die Bedingungen des Zerlegebetriebs, also die niedrige Temperatur, eine geringe Frischluftzufuhr und eine konstante Luftumwälzung durch die Klimaanlage in der Halle, zusammen mit anstrengender körperlicher Arbeit, die Aerosolübertragung von SARS-CoV-2-Partikeln über größere Entfernungen hinweg förderten«, sagt Professor Dr. Adam Grundhoff, Forschungsgruppenleiter am HPI. Es sei sehr wahrscheinlich, dass diese Faktoren generell eine entscheidende Rolle bei den weltweit auftretenden Ausbrüchen in Fleisch- oder Fischverarbeitungsbetrieben spielen. Unter diesen Bedingungen sei ein Abstand von 1,5 bis 3 Metern alleine ganz offenbar nicht ausreichend, um eine Übertragung zu verhindern.
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