25 Jahre Wegbereiter für pharmazeutische Betreuung |
Daniela Hüttemann |
24.11.2022 18:00 Uhr |
Das Konzept der pharmazeutischen Betreuung wurde bereits in den 1990er-Jahren entwickelt und hat sich vielen Ländern etabliert. Deutschland hängt, was die strukturierte, vergütete Umsetzung angeht, den angelsächsischen Ländern und der Schweiz hinterher. / Foto: Getty Images/Dirk Odendaal
1997 wurde die Förderinitiative Pharmazeutische Betreuung gegründet und ein Jahr später als gemeinnütziger Verein anerkannt. Seit zwölf Jahren ist Ronald Schreiber ihr Vorsitzender, der zugleich Präsident der Landesapothekerkammer Thüringen ist. Bei der heutigen Mitgliederversammlung wurde Schreiber in seinem Amt bestätigt, ebenso die anderen Vorstandsmitglieder Dr. Christiane Eckert-Lill, Ina Richling und Sabine Skwara. Die bisherige stellvertretende Vorsitzende Sabine Gnekow hatte nicht mehr kandidiert. Ihr Amt übernimmt Skwara, während Sabine Haul neu in den Vorstand nachrückt.
»Wir haben gemeinsam viel erreicht in dieser Zeit – zum Beispiel wurden in diesem Jahr die pharmazeutischen Dienstleistungen eingeführt. Diese fußen auf den Ideen der pharmazeutischen Betreuung«, erklärte Schreiber. Mit der Förderung entsprechender Projekte habe die Förderinitiative zur Entwicklung der pharmazeutischen Dienstleistungen beigetragen. 27 geförderte Projekte wurden bislang abgeschlossen. Dabei umfasst eine Förderung nicht nur finanzielle Unterstützung, sondern auch eine Beratung zur Konzeption, Durchführung und Auswertung des Projekts sowie eine Einschätzung zum Bedarf.
Der Verein mit seinen rund 170 Mitgliedern (darunter 30 Institutionen) und seinem hochkarätigen wissenschaftlichen Beirat will in Zukunft helfen, die bisher fünf pharmazeutischen Dienstleistungen flächendeckend zu etablieren sowie Modelle für weitere Dienstleistungen zu entwickeln. »Wir müssen hier jetzt mehr PS auf die Straße bringen«, so der Vorsitzende Schreiber. Dafür schreibt die Förderinitiative Fördermittel aus.
Die Förderinitiative Pharmazeutische Betreuung schreibt neue Fördermittel für Projekte zur Implementierung der pharmazeutischen Dienstleistungen aus. In diesen könnten zum Beispiel folgende Fragen untersucht werden (einzeln oder kombiniert):
Selbstverständlich können auch andere Fragestellungen zu den pharmazeutischen Dienstleistungen bearbeitet werden. Das Projekt soll eine praxisbezogene Untersuchung sein, gern im Sinne einer Machbarkeitsuntersuchung, deren Dauer maximal ein Jahr betragen soll. Das Projekt kann auch im Rahmen einer Diplomarbeit oder einer Projektarbeit während der Weiterbildung durchgeführt werden.
Voraussetzung für eine Förderung ist, dass die Projektergebnisse keiner kommerziellen Nutzung zugeführt werden, sondern allen Interessierten zur Verfügung gestellt werden, zum Beispiel durch Publikation oder Weitergabe erarbeiteter Materialien. Die detaillierten Förderbedingungen sind hier einsehbar.
Frist zur Einreichung von Anträgen ist der 31. März 2023. Anträge sind per E-Mail bei der Förderinitiative einzureichen (pharmazie@abda.de). Der Antrag darf einen Umfang von maximal zehn Seiten haben. Das Antragsformular ist unter https://www.foerderinitiative.de/foerderantrag.html zu finden.
Die Entscheidung über die Förderung trifft der Vorstand der FI. Diese ist abschließend und nicht anfechtbar. Der Vorstand behält sich vor, Anträge durch den Wissenschaftlichen Beirat begutachten zu lassen und ggf. Rückfragen zu stellen oder die Antragsteller um Stellungnahme zu bitten.
Weitere Auskünfte: Dr. Christiane Eickhoff, ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (c.eickhoff@abda.de)
Aktuell werden vier Projekte gefördert, die sich in verschiedenen Stadien der Umsetzung befinden. So wird beispielsweise an der Universität Bonn ein Score-System entwickelt, um Patienten mit einem hohen Risiko für arzneimittelbezogene Probleme (ABP) systematisch zu identifizieren. Damit könnte sich auch ermitteln lassen, welche Patienten am dringendsten pharmazeutische Betreuung brauchen und zum Beispiel priorisiert eine Medikationsanalyse als pharmazeutische Dienstleistung angeboten bekommen sollten. Apothekerin Dr. Ronja Woltersdorf stellte die vorläufigen Ergebnisse vor. Die bisherigen Erkenntnisse sollen in einen Fragebogen zur Ermittlung des Risikoscores (in Papierform und als Online-Tool) für die Apotheken vor Ort münden.
Ebenfalls an einem Screening-Tool arbeitet Apothekerin Sara Michiel vom Promotionsprogramm Klinische Pharmazie an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Dabei geht es um eine mögliche Reduktion der Medikamentenlast bei Palliativpatienten am Lebensende. Dazu soll ein entsprechendes Tool aus Irland namens STOPPFrail (»Screening Tool of Older Persons Prescriptions in frail adults with limited life expectancy«) für den deutschsprachigen Raum übersetzt und angepasst werden. Die Palliativversorgung und die Mithilfe beim Deprescribing sind denkbare zukünftige Dienstleistungen.
Um die Messung der Effektivität pharmazeutischer Interventionen in Alten- und Pflegeheimen geht es bei einem Projekt der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, das Apothekerin Laura Fährmann vorstellte. Denn nur, wenn sich der Nutzen solcher Leistungen nachweisen lässt, haben sie eine Chance, dauerhaft in den Leistungskatalog der Apotheken und Gesetzlichen Krankenversicherung aufgenommen zu werden.
Ganz neu unter den geförderten Projekten ist CAPAA vom Universitätsklinikum Heidelberg und der Hochschule Esslingen, das im kommenden Februar startet. Dabei geht es darum, wie die öffentlichen Apotheken den Übergang von pflegebedürftigen Patienten vom Krankenhaus in die heimische Umgebung mitgestalten können, genauer gesagt die Zusammenarbeit mit Krankenhaus, ambulanten Pflegediensten sowie den pflegenden An- und Zugehörigen.
Dabei wird unter anderem geprüft, wie ein Gespräch mit der Apotheke direkt nach der Krankenhausentlassung die Arzneimitteltherapie der zu Pflegenden unterstützen kann, denn die Angehörigen seien damit oft so abrupt überfordert und den Pflegediensten fehle mitunter die Zeit dazu, sich genauer mit arzneimittelbezogenen Problemen zu beschäftigen.
»Das machen viele Apotheken vor Ort ohnehin bereits«, erklärte Projektleiterin Professor Dr. Hanna Seidling, doch bislang seien die Apotheken nicht strukturiert eingebunden und würden oftmals erst kontaktiert, wenn konkrete Probleme auftreten. Das Projekt will auch evaluieren, ob sich solche Probleme nicht sogar verhindern und Kosten einsparen lassen, wenn die Apotheken proaktiv eingebunden werden. Daraus könnte auch eine neue pharmazeutische Dienstleistung erwachsen. »Alle vier Projekte könnten für die Arbeit in den öffentlichen Apotheken eine große Rolle spielen«, meinte der Vorstandsvorsitzende Schreiber.