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Robustes Immunsystem

217-mal gegen Covid-19 geimpft

Sich vor impfpräventablen Krankheiten durch Impfung zu schützen, ist absolut empfehlenswert. Man kann es aber auch übertreiben, wie eine Kasuistik zeigt. Negative Auswirkungen auf das Immunsystem hatte jedoch eine Impfserie mit 217 Covid-19-Impfungen überraschenderweise nicht. Offensichtlich kann man dem adaptiven Immunsystem mehr zumuten, als Experten bisher für möglich gehalten haben.
Theo Dingermann
05.03.2024  11:00 Uhr

Eigentlich klingt der Anlass einer jetzt in der Fachzeitschrift »The Lancet Infectious Diseases« veröffentlichten Fallstudie wenig seriös. Ein Team um Katharina Kocher und Carolin Moosmann von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) hatte aus der Zeitung von einem Mann aus Magdeburg gehört, der sich über einen Zeitraum von 29 Monaten mehr als 200 Impfungen gegen Covid-19 hatte geben lassen. Die Forschenden ergriffen diese einmalige Gelegenheit, um herauszufinden, wie das Immunsystem auf eine derart massive Hypervakzinierung reagiert.

Ganz nachvollziehbar ist die genaue Anzahl der Impfungen, die der passionierte Impfling erhalten hatte, nicht. Er selbst berichtet von 217 Impfungen. Die Motivation für ein solches Verhalten gegen alle Empfehlungen sei privater Natur gewesen, wie er angab. Eindeutig dokumentiert sind von den angeblich 217 Impfungen »nur« 134. Belege für 130 Impfungen in einem Zeitraum von neun Monaten wurden von der Staatsanwaltschaft Magdeburg gefunden, die eine Untersuchung dieses Falles mit dem Vorwurf des Betrugs eingeleitet, dann aber doch keine Anklage erhoben hatte.

Blutproben aus verschiedenen Jahren untersucht

Bei dem 62-jährigen Probanden handelt es sich offensichtlich um einen Menschen, der generell an seiner Gesundheit interessiert ist. So willigte er nicht nur ein, sich von dem Erlanger Team immunologisch umfassend untersuchen zu lassen. Er stellte den Forschenden auch die Ergebnisse mehrerer Blutuntersuchungen zur Verfügung, die über den Impfzeitraum durchgeführt worden waren.

Bei diesen Untersuchungen, die zwischen November 2019 und Oktober 2023 stattgefunden hatten, waren in keinem der 62 routinemäßig erfassten klinisch-chemischen Parameter Anomalien erkennbar gewesen, die auf die Hypervakzinierung hingedeutet hätten. Auch gab es bei dem Probanden keine Anzeichen für eine frühere SARS-CoV-2-Infektion. Das belegen wiederholt durchgeführte negative SARS-CoV-2-Antigentests, PCR-Analysen und eine Nukleokapsid-Serologie.

Zum Teil waren auch noch eingefrorene Proben verfügbar, die nachuntersucht werden konnten. Und schließlich wurde auch eine Blutprobe entnommen, nachdem sich der Mann im Laufe der Erlanger Studie auf eigenes Betreiben hin nochmals hatte impfen lassen. Damit ließ sich die direkte Reaktion des Immunsystems auf eine frische Impfung nachvollziehen.

Experten raten von zu häufigem Impfen in kurzer Abfolge ab

Von zu häufigem Impfen in kurzer Abfolge raten Experten ab. Denn aus Erfahrung mit chronischen Infektionen mit dem HI- oder Hepatitis-B-Virus weiß man, dass eine ständige Stimulierung des Immunsystems bei zellulären Immunkomponenten Ermüdungseffekte auslösen kann. T-Zellen beispielsweise schütten dann weniger entzündungsfördernde Botenstoffe aus. Das Resultat ist ein geschwächtes Immunsystem.

Die Kasuistik offenbart nun allerdings ein anderes Ergebnis. Der Proband verfügte über eine größere Menge an T-Effektorzellen gegen SARS-CoV-2 als Vergleichspersonen, die gemäß der STIKO-Empfehlung dreifach geimpft waren. Bei den Effektorzellen ließen sich auch keine Ermüdungseffekte feststellen. Vielmehr verhielten sich diese ähnlich effektiv wie die entsprechenden Zellen normal vakzinierter Probanden.

Unauffällig zeigten sich auch die T-Gedächtniszellen. Ihre Zahl war bei dem hypervakzinierten Probanden genauso hoch wie die in einer Vergleichsgruppe. Generell fanden die Forschenden keine Anzeichen für eine schwächere Immunantwort. Tendenziell zeigte sich eher das Gegenteil, beispielsweise auch ein signifikant hoher Titer an SARS-CoV-2-spezifischen Antikörpern. Ebenfalls reagierte das Immunsystem des Probanden unverändert gut auf andere Erreger. Somit scheint das Immunsystem als solches durch die Hypervakzinierung keinen Schaden genommen zu haben.

»Unser Proband wurde mit insgesamt acht verschiedenen Vakzinen geimpft, darunter auch verschiedene verfügbare mRNA-Impfstoffe«, sagt Seniorautor Privatdozent Dr. Kilian Schober in einer Pressemitteilung der FAU. Dass es trotz dieser außerordentlichen Hypervakzinierung nicht zu erkennbaren Nebenwirkungen gekommen sei, belege die gute Verträglichkeit der Präparate.

Die Forschenden betonen allerdings auch, dass sich aus diesem Einzelfall keine generell neuen Schlüsse für Impfempfehlungen für die Allgemeinbevölkerung ableiten lassen. »Nach heutigem Kenntnisstand bleibt eine dreimalige Impfung und gegebenenfalls eine regelmäßige Auffrischung bei vulnerablen Gruppen die Vorgehensweise der Wahl. Darüber hinaus gehende Impfungen sind nicht indiziert«, heißt es in der Pressemeldung der FAU.

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