Zwei neue Optionen innerhalb eines Monats |
Während Eculizumab und Ravulizumab infundiert werden müssen, kann Zilucoplan einmal täglich subkutan verabreicht werden. Nach entsprechender Schulung können die Patienten das Spritzen in den Oberschenkel, Bauch oder die Rückseite des Oberarms selbst vornehmen. Die Injektionsstellen sollten rotieren und die Patienten sollten nicht in Bereiche spritzen, in denen die Haut empfindlich, erythematös, blutunterlaufen oder verhärtet ist oder in denen die Haut Narben oder Dehnungsstreifen aufweist. Die empfohlene Dosis richtet sich nach dem Körpergewicht (KG) des Patienten (< 56 kg KG: 16,6 mg; ≥ 56 bis < 77 kg KG: 23 mg und ≥ 77 kg KG: 32,4 mg).
Bei Patienten mit Nierenfunktionsstörung ist keine Dosisanpassung erforderlich, bei leichter und mittelschwerer Leberfunktionsstörung ebenfalls nicht. Da Sicherheit und Wirksamkeit des neuen Medikaments bei schwerer Leberfunktionsstörung nicht erwiesen sind, kann für diesen Fall keine Dosisempfehlung gegeben werden.
Kontraindiziert ist Zilucoplan bei Patienten, die derzeit nicht gegen Neisseria meningitidis (Meningokokken) geimpft sind oder bei denen eine nicht abgeklungene Infektion mit diesem Erreger vorliegt. Während der Behandlung sollten die Patienten auf Anzeichen und Symptome einer Meningokokken-Infektion überwacht werden. Zusätzlich zu Neisseria meningitidis können die Patienten auch anfällig für Infektionen mit anderen Neisseria-Arten sein, etwa Gonokokken. Sie sollten deshalb über die Bedeutung der Vorbeugung und Behandlung von Gonorrhö informiert werden.
Sehr häufige Nebenwirkungen des neuen Medikaments sind Reaktionen an der Injektionsstelle und Infektionen der oberen Atemwege. Häufig traten Durchfall, erhöhte Pankreasenzyme wie Lipase und Amylase sowie die sogenannte Morphea auf, eine entzündliche Erkrankung, bei der sich einzelne Hautbereiche verhärten.
Die Behandlung von Schwangeren mit Zilbrysq sollten Ärzte nur in Betracht ziehen, wenn der klinische Nutzen die Risiken überwiegt. Bei Stillenden ist zu entscheiden, ob auf das Stillen oder die Behandlung mit Zilucoplan verzichtet wird.
Zilbrysq ist im Kühlschrank 2 bis 8 °C zu lagern. Patienten können die Fertigspritze bei Raumtemperatur im Originalumkarton bei bis zu 30 °C für einen einmaligen Zeitraum von maximal drei Monaten aufbewahren.
Beide neuen Arzneistoffe bei Myasthenia gravis sind vorläufig als Schrittinnovation zu betrachten. Bei Rozanolixizumab ist es nicht das Wirkprinzip, das zu dieser Einstufung führt. Denn der Wirkstoff ist nach Efgartigimod alfa schon der zweite, der auf FcRn abzielt. Allerdings weist Rozanolixizumab ein breiteres Anwendungsgebiet auf, weil er auch bei Patienten mit Anti-MuSK-Antikörpern zum Einsatz kommen darf. Für diese bringt die Markteinführung von Rystiggo einen Therapiefortschritt und daher ist die Einstufung bei den Schrittinnovationen auch gerechtfertigt. Besonders positiv ist in diesem Zusammenhang, dass Patienten mit Anti-MuSK-Antikörpern sogar noch etwas besser auf Rozanolixizumab ansprechen als Anti-AChR-positive Patienten. Bislang ist Rozanolixizumab nicht für die regelmäßige Gabe zugelassen. Abhängig von weiteren Studienergebnissen wird man aber vielleicht eines Tages von der Therapie in Zyklen zu einer regelmäßigen Gabe übergehen können.
Zukunftsmusik ist zurzeit auch noch die Kombination aus FcRn-Blockade und einem Komplementinhibitor. Pathophysiologisch wäre das sinnvoll, auch wenn man dabei immer die Sicherheit besonders im Blick behalten sollte. Es wäre interessant zu wissen, ob Patienten mit hochaktiver Erkrankung von einer solchen Kombination weiter profitieren. In der Praxis stellt sich die Frage danach derzeit schon aufgrund des Preises der Medikamente ohnehin nicht. Das heißt, Ärzte werden sich bei geeigneten Patienten entweder für einen FcRn-Blocker oder einen Komplementinhibitor entscheiden.
In die letztgenannte Klasse ist der zweite Neuling Zilucoplan einzuordnen, der ebenfalls eine Schrittinnovation darstellt. Das Wirkprinzip weist zwar Ähnlichkeiten mit jenem von Eculizumab und Ravulizumab auf, der Neuling bindet aber an einer anderen Stelle am Komplementprotein C5. Hinzu kommt, dass Zilucoplan subkutan appliziert wird und nicht infundiert werden muss. Zudem weist es anders als die Antikörper eine weitere Wirkkomponente, eine Art zweite »Reißleine«, auf. Sollte das C5b-Fragment gebildet werden, so verhindert Zilucoplan dessen Bindung an C6, was nachfolgende Schritte in der Komplementkaskade blockiert.
Da es bisher keinen direkten Vergleich mit den Antikörpern gibt, lässt sich die Frage, ob Zilucoplan vielleicht sogar wirksamer ist, derzeit nicht beantworten. Derartige Untersuchungen wären wünschenswert, auch hinsichtlich der Verträglichkeit. Denn möglicherweise sind die Antikörper, weil sie größer sind, auch immunogener als das vergleichsweise kleine Molekül Zilucoplan.
Sven Siebenand, Chefredakteur