Zulassung von Tofersen empfohlen |
Brigitte M. Gensthaler |
26.02.2024 10:30 Uhr |
Die amyotrophe Lateralsklerose ist eine fortschreitende, zum Tod führende Motoneuronen-Erkrankung. Die Behandlungsoptionen sind äußerst begrenzt. Ein neues Antisense-Oligonukleotid könnte für einige Patienten einen Fortschritt bringen. / Foto: Adobe Stock/Leon
ALS ist eine seltene, nicht heilbare degenerative Erkrankung des motorischen Nervensystems mit zunehmendem Verlust der Muskelfunktion bis hin zur Lähmung. Betroffen ist auch die Atemmuskulatur. In der Regel sterben die Patienten innerhalb von zwei bis fünf Jahren. In Deutschland ist zur Behandlung nur Riluzol (Rilutek®) zugelassen. Die Zulassung des Präparats Albrioza® mit der Fixkombination Natriumphenylbutyrat/Ursodoxicoltaurin lehnte die EMA 2023 ab.
Die genauen Ursachen der ALS sind unbekannt. Etwa 2 Prozent der Patienten haben Mutationen im SOD1-Gen, die zu schadhaften SOD1-Enzymen führen, die wiederum Nervenzellen abtöten. Nur für diese ist Tofersen geeignet, denn das Antisense-Oligonukleotid bindet an die mRNA des SOD1-Gens und unterdrückt damit die Bildung des SOD1-Proteins. Tofersen wird einmal im Monat mittels Lumbalpunktion in das Nervenwasser (Liquor cerebrospinalis) appliziert.
Die Zulassungsempfehlung stützt sich unter anderem auf die Ergebnisse einer 28-Wochen-Studie mit 108 Patienten im Alter von 23 bis 78 Jahren (VALOR-Phase-III-Studie mit offener Verlängerung auf 52 Wochen). Sie erhielten entweder 100 mg Tofersen oder Placebo alle vier Wochen intrathekal. Als Biomarker dienten Neurofilament-Proteine, genauer deren leichte Kette (NfL), die von geschädigten Neuronen freigesetzt werden. Verringert sich der NfL-Wert im Vergleich zum bisherigen Verlauf der ALS, wird von einer verlangsamten Krankheitsprogression ausgegangen. In der Studie wurde ein Rückgang der NfL-Plasmakonzentrationen um bis zu 60 Prozent in der Verum- im Vergleich zur Placebogruppe gemessen.
In der Patientengruppe mit hoher Progressionsrate nahmen die motorischen Funktionen entsprechend der ALS-Funktionsskala (ALSFRS-R) in der Tofersen-Gruppe um 6,98 Skalenpunkte ab, in der Placebo-Gruppe um 8,14 Skalenpunkte. Damit war das Ergebnis des primären Endpunkts nicht signifikant; dies galt ebenfalls für die sekundären Endpunkte. Die häufigsten Nebenwirkungen waren Schmerzen, Fatigue, Fieber, Gelenk- und Muskelschmerzen.
Hersteller Biogen ist nun gefordert, weitere Daten zur Langzeitwirksamkeit und -sicherheit vorzulegen. Zudem soll erforscht werden, ob Tofersen die klinische Manifestation der Erkrankung bei präsymptomatischen SOD1-ALS-Patienten verzögern kann.