| Annette Rößler |
| 24.11.2025 18:00 Uhr |
Rezepturen mit Lithiumsalzen herzustellen und ohne ärztliche Verordnung abzugeben, ist Apotheken prinzipiell erlaubt. Aus medizinisch-pharmazeutischer Sicht ist das jedoch sehr bedenklich. / © Getty Images/JBalla
PZ: Apotheken berichten uns von vermehrten Nachfragen zu Rezepturarzneimitteln mit Lithiumorotat, teils von Ärzten, aber auch von Heilpraktikern und von Patienten. Laut Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV) ist Lithium »zur Prophylaxe und Behandlung von psychiatrischen Erkrankungen (…) und Cluster-Kopfschmerzen« verschreibungspflichtig. Dürfen entsprechende Rezepturen hergestellt und abgegeben werden?
Preuschhof: Diese Frage lässt sich meines Erachtens nicht eindeutig verneinen. Die AMVV gibt dazu keine unmittelbaren Anhaltspunkte, weil sich daraus lediglich die Frage ergibt, ob ein entsprechendes Arzneimittel verschreibungspflichtig wäre oder nicht. Wird es nicht zur Prophylaxe oder Behandlung psychiatrischer Erkrankungen und Cluster-Kopfschmerz eingesetzt, unterliegt es nicht der Verschreibungspflicht.
PZ: Aber Lithiumsalze sind hochwirksam und haben eine geringe therapeutische Breite. Nicht ohne Grund sind sie deshalb in den etablierten Indikationen verschreibungspflichtig. Es kann doch nicht sein, dass sie für fragwürdige Zwecke jenseits dieser Indikationen ohne ärztliche Verschreibung angewendet werden dürfen.
Preuschhof: Der Verordnungsgeber lässt die Abgabe ohne Verschreibung außerhalb der genannten Indikation zu. Anhaltspunkte dafür, dass lithiumhaltige Arzneimittel in diesem Fall als bedenklich im Sinne des § 5 Arzneimittelgesetz (AMG) anzusehen wären, habe ich nicht gefunden. Apothekenrechtlich könnte ein Abgabeverbot bei einem Missbrauch nach § 17 Absatz 8 Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) vorliegen. Hierzu reicht ein bloßer »Schwurbelverdacht« jedoch nicht aus. Dem Beratungsgespräch nach § 20 ApBetrO kommt hier insofern eine besondere Bedeutung zu.
Somit ist zunächst einmal eine OTC-Rezeptur apothekenrechtlich nicht ausgeschlossen. Es bedarf nicht zwingend einer ärztlichen Verschreibung für die Herstellung eines Rezepturarzneimittels, sofern nicht das Arzneimittel aufgrund seiner Wirkstoffe der Verschreibungspflicht unterliegt. Das ist hier offenbar nicht der Fall.
Arndt Preuschhof ist Referent für Apotheken- und Arzneimittelrecht bei der ABDA. / © ABDA
PZ: Wie sollten Apotheken also mit solchen Anfragen umgehen?
Preuschhof: Vor der Herstellung und Abgabe eines Rezepturarzneimittels muss eine Plausibilitätsprüfung nach § 7 Absatz 1b ApBetrO erfolgen. Diese Prüfung ist zwar vorrangig nach pharmazeutischen Gesichtspunkten vorzunehmen, die Risiken bei der Einnahme von Lithium bei entsprechend hohen Dosen müssten dabei aber berücksichtigt werden. Sie sprechen möglicherweise gegen eine Abgabe durch die Apotheke.
Die Abgabe eines entsprechenden Arzneimittels als OTC-Rezeptur wäre somit zwar nicht grundsätzlich verboten. Verallgemeinerungen verbieten sich jedoch – besonderen Wert wird man insofern auf die eingehende Beratung des Patienten legen. Sollten sich aus dem Gespräch Anhaltspunkte für ein missbräuchliches Verhalten ergeben, ist die Apotheke befugt und gehalten, die Anfertigung und Abgabe des Arzneimittels zu verweigern. Werden diese Grundsätze verletzt, kann dies haftungsrechtliche Risiken bergen.