Zugang zu Generika könnte schwieriger werden |
Melanie Höhn |
16.03.2023 14:30 Uhr |
Dass die EU auf eine Verlängerung der Patentlaufzeit und Datenexklusivitäts-Bestimmungen im Freihandelsabkommen mit Indien pocht, sieht die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen kritisch. / Foto: Adobe Stock/cassis
In dieser Woche treffen sich die Delegationen des indischen Handelsministeriums und der Europäischen Kommission in Brüssel, um Verhandlungen über das geplante Freihandelsabkommen zwischen den beiden Partnern weiterzuführen. Eigentlich waren diese Gespräche zwischen beiden Partnern 2013 gescheitert; im Juni 2022 wurden sie jedoch wieder aufgenommen. Seitdem gab es drei Verhandlungsrunden – aktuell findet die vierte statt. Dabei geht es unter anderem um Fragen des geistigen Eigentums, die sich nachteilig auf den Zugang zu Arzneimitteln auswirken können. Darüber hat die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (ÄoG) in einer Mitteilung informiert.
Zum Hintergrund: Zwischen 2007 und 2013 hatte sich die EU eigentlich verpflichtet, zwei Bestimmungen zum geistigen Eigentum von Arzneimitteln aus einem früheren Verhandlungstext zu streichen, doch der im Juli 2022 veröffentlichte Entwurf des Freihandelsabkommens zwischen der EU und Indien zeigte, dass die EU einige dieser Bestimmungen wieder eingeführt hatte. Eine davon ist die so genannte »Datenexklusivität«, die die Zulassung von Generika verzögern würde, selbst wenn es kein Patent auf das betreffende Arzneimittel gibt. Während der Laufzeit der Datenexklusivität ist es Generikaherstellern nicht erlaubt, auf klinische Studien zu dem jeweiligen Original-Arzneimittel zuzugreifen.
ÄoG kritisiert zudem, dass durch die Verlängerung oder Ergänzungen der Patentlaufzeit der Patentschutz der Arzneimittelhersteller über die bestehende 20-jährige Laufzeit hinaus verlängert werde, wodurch der Markteintritt von Generika für neuere Behandlungen um mehrere Jahre blockiert werde. Der Entwurf des Freihandelsabkommens enthalte zudem auch Bestimmungen zur Durchsetzung des geistigen Eigentums, die den rechtmäßigen Handel mit Generika behindern könnten.
»Es ist sehr besorgniserregend zu sehen, dass die EU von ihren Zusagen abrückt und in den laufenden Handelsverhandlungen mit Indien erneut auf schädliche Bestimmungen wie die Verlängerung der Patentlaufzeit und Datenexklusivität drängt«, warnt Dimitri Eynikel, Experte für EU-Politik von Ärzte ohne Grenzen. »Die EU muss unverzüglich alle Vorschläge zurückziehen, die sich nachteilig auf den Zugang zu Arzneimitteln auswirken könnten, insbesondere die Bestimmungen, zu deren Rücknahme sie sich zuvor verpflichtet hatte«, so Eynikel.
Des Weiteren würden diese Bestimmungen die Monopolstellung multinationaler Pharmakonzerne weiter stärken und Generikahersteller aus Indien daran hindern, lebensrettende Medikamente zu liefern, erklärte Eynikel. »In den vergangenen Verhandlungen hatte Indien diese Bestimmungen, die über die internationalen Handelsregeln hinausgehen, erfolgreich beseitigt, um den Zugang zu Medikamenten für Menschen in ärmeren Ländern zu gewährleisten.«
Melissa Scharwey, politische Referentin bei Ärzte ohne Grenzen, ergänzt: »Auch Ärzte ohne Grenzen ist auf die bezahlbaren, qualitätsgesicherten Generika angewiesen, die in Indien hergestellt werden, um Menschen zu behandeln, die etwa an Tuberkulose, Malaria, HIV/AIDS und anderen Infektionen leiden«. Scharwey führt weiter aus: »Der Wettbewerb zwischen den Generikaherstellern senkt die Arzneimittelpreise; die niedrigeren Preise sind notwendig für gerechteren Zugang und retten Leben. Dies ist aber durch Freihandelsabkommen bedroht, die die Monopole für geistiges Eigentum an Arzneimitteln ausweiten.«