Zoliflodacin bei Gonorrhö wirksam |
Annette Rößler |
06.11.2023 11:00 Uhr |
Neisseria gonorrhoeae ist ein gramnegatives Diplokokken-Bakterium. Infektionen mit dem Erreger können schwerwiegende Folgen haben, darunter eine Prostatitis beim Mann und eine Entzündung der inneren Geschlechtsorgane mit anschließender Unfruchtbarkeit bei der Frau. / Foto: CDC/Antibiotic Resistance Coordination and Strategy Unit
Das bakterielle Enzym Gyrase katalysiert einen für die DNA-Replikation essenziellen Schritt: Es verursacht einen Doppelstrangbruch und entwindet die verdrillte DNA-Helix, was die Ablesung und Verdopplung der DNA erst ermöglicht. Mit dieser Aufgabenbeschreibung zählt die Gyrase zur Enzymklasse der Topoisomerasen II, die in allen Lebewesen vorkommen. Da die Gyrase aber für Bakterien spezifisch ist, bietet sie einen guten Angriffspunkt für Antibiotika.
Gängige Gyrasehemmer sind etwa die Fluorchinolone Ciprofloxacin und Ofloxacin. Sie verhindern, dass die Gyrase den durchtrennten DNA-Doppelstrang wieder verschließt, was zum Tod der Bakterienzelle führt (bakterizide Wirkung). Das neue Antibiotikum Zoliflodacin wirkt etwas anders: Es friert den Komplex aus durchtrennter DNA und kovalent gebundener Gyrase ein, sodass der Replikationsprozess gestoppt wird. Daher ist Zoliflodacin laut einer Publikation im »New England Journal of Medicine« aus dem Jahr 2018 auch bei Vorliegen von Resistenzen gegen Fluorchinolone und andere Antibiotika wirksam (DOI: 10.1056/NEJMoa1706988).
Chemisch betrachtet ist Zoliflodacin ein Spiropyrimidintrion. Es ist oral bioverfügbar und wird derzeit in einer Phase-III-Studie bei der sexuell übertragbaren Infektionskrankheit Gonorrhö (Tripper) getestet. Die Studie schließt 930 Frauen und Männer mit unkomplizierter Gonorrhö in Belgien, den Niederlanden, Südafrika, Thailand und den USA ein, darunter auch Jugendliche und HIV-Infizierte.
Die Studie verglich die Wirksamkeit und Sicherheit einer Einzeldosis Zoliflodacin (3 g oral) mit der etablierten Standardtherapie. Letztere besteht aus 500 mg Ceftriaxon intramuskulär plus 1 g Azithromycin oral. Gegen dieses Regime lagen in der Studie keine Resistenzen vor.
Finanziert wird die Entwicklung von Zoliflodacin durch eine Public-Private-Partnership bestehend aus der schweizerischen Non-Profit-Organisation GARDP (Global Antibiotic Research & Development Partnership) und dem US-Hersteller Innoviva. Beide Partner informieren jetzt in einer Mitteilung über positive erste Ergebnisse der Studie. Demnach konnte die statistische Nicht-Unterlegenheit von Zoliflodacin gegenüber Ceftriaxon/Azithromycin bei generell guter Verträglichkeit und keinen schwerwiegenden Nebenwirkungen gezeigt werden.
Für Patienten mit Gonorrhö seien diese Ergebnisse hoffnungsstiftend, da Resistenzen gegen die verfügbaren Antibiotika zunähmen, heißt es weiter. Das betont auch die US-Gesundheitsbehörde NIH in einem Statement. Neisseria gonorrhoeae, der Erreger der Gonorrhö, sei zwar üblicherweise gut mit Antibiotika zu behandeln. Mittlerweile seien aber schon Stämme aufgetaucht, die auch gegen die letzten verbliebenen Cephalosporine und Makrolide unempfindlich geworden seien, so die NIH, die finanziell und wissenschaftlich an der Entwicklung von Zoliflodacin beteiligt war.
Auch in einem Nachrichtenbeitrag auf der Internetseite des Fachjournals »Nature« werden die Ergebnisse der Studie positiv eingeordnet. Die Aussicht auf eine neue Therapieoption bei Gonorrhö sei »sicherlich bahnbrechend«, gibt Magnus Unemo, ein Mikrobiologe von der Universität Örebro in Schweden, zu Protokoll. Ceftriaxon-resistente Stämme von N. gonorrhoeae seien unabhängig voneinander an mehreren Orten weltweit aufgetaucht und würden sich in einigen Ländern stark verbreiten – einige davon mit zusätzlicher Azithromycin-Resistenz. »Diese Situation ist sehr besorgniserregend, denn die Gonorrhö könnte unbehandelbar werden«, so Unemo.
Noch seien die Stämme gegen Zoliflodacin empfindlich. Unemo konnte mit seinem Team zwar zeigen, dass N. gonorrhoeae im Labor auch eine Resistenz gegen das neue Antibiotikum entwickeln kann (»Frontiers in Pharmacology 2022«, DOI: 10.3389/fphar.2022.874176). Allerdings konnte noch kein Stamm mit entsprechender Resistenz von einem Patienten isoliert werden. Falls Zoliflodacin nicht mit Bedacht eingesetzt wird, könnte sich das jedoch eines Tages ändern.