Zehn-Jahres-Daten zu Gardasil 9 |
Theo Dingermann |
21.09.2023 09:00 Uhr |
Eine Impfung gegen HPV ist in Deutschland für alle Mädchen und Jungen im Alter von 9 bis 15 Jahren empfohlen. / Foto: Adobe Stock/Khunatorn
In Deutschland erkranken laut Robert-Koch-Institut (RKI) jedes Jahr etwa 4600 Frauen an Gebärmutterhalskrebs und 1500 Frauen versterben an den Folgen der Erkrankung. Infektionen mit dem sexuell übertragenen humanen Papillomavirus (HPV) sind die Voraussetzung für die Entstehung der meisten Fälle von dieser Krebsart. Neben Gebärmutterhalskrebs verursachen die onkogenen HPV-Typen auch Vulva-, Vaginal-, Anal- und Oropharynxkarzinome.
Zum Schutz vor einer Infektion stehen in Europa drei Impfstoffe zur Verfügung: Die bivalente Vakzine Cervarix® (HPV-Typen 16 und 18), die tetravalente Vakzine Gardasil® (HPV-Typen 6, 11, 16 und 18) sowie der neunvalente Impfstoff Gardasil® 9 (Typen 6, 11, 16, 18, 31, 33, 45, 52 und 58). Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt eine Grundimmunisierung mit Cervarix oder Gardasil für Mädchen bereits seit 2007. Gardasil 9 ist erst seit 2015 verfügbar. Zugelassen und zur Anwendung empfohlen sind alle diese Impfstoffe heute für Mädchen und Jungen im Alter von 9 bis 17 Jahren. Auffrischimpfungen sind nicht vorgesehen. Laut RKI wird von einem langanhaltenden Schutz der Impfungen ausgegangen, da laut Zehn-Jahres-Daten zu den zuerst zugelassenen Impfstoffen die Antikörpertiter kaum abnähmen.
Das bestätigt nun auch die zehnjährige Nachbeobachtungstudie zur Immunogenität, Effektivität und Sicherheit von Gardasil 9, die im Fachjournal »Pediatrics« publiziert wurde. Dr. Jaime Restrepo vom Clinical Research Center CIC in Medellín, Kolumbien, und Kollegen untersuchten die Daten von 301 Jungen und 971 Mädchen, die in der Basisstudie (NCT00943722) drei Dosen (am Tag der Erstimpfung sowie zwei und sechs Monate nach der ersten Dosis) des neunvalenten HPV-Impfstoffs erhalten hatten.
Die Forschenden testeten zunächst die Seren, die den Studienteilnehmern bis zum Monat 126 entnommen worden waren, auf nachweisbare Antikörper gegen die Impfantigene. Es zeigte sich, dass für die Impfung bei Jungen und Mädchen im Alter von 9 bis 15 Jahren eine anhaltende Immunogenität und Wirksamkeit über etwa zehn Jahre nachweisbar war.
Bei der überwiegenden Mehrheit der Studienteilnehmer wurden die höchsten Antikörpertiter sieben Monate nach der Impfung erreicht. Die Titer fielen dann zwischen dem siebten und zwölften Monaten steil und danach bis zum 126. Monaten geringfügig ab. Zwischen 80 und 100 Prozent der Studienteilnehmer blieben, je nach HPV-Typ und Messmethode, auch bis in den Monat 126 seropositiv.
In den etwa zehn Jahren Nachbeobachtung wurden bei den Mädchen keine Erkrankungen diagnostiziert, die durch die im Impfstoff enthaltenen HPV-Typen bedingt waren. Dazu zählen sowohl zervikal, vulvär oder vaginal lokalisierte Krebsarten beziehungsweise Krebsvorstufen sowie äußere Genitalwarzen. Bei einer Person wurden im Monat 84 nach der Impfung Zellveränderungen am Gebärmutterhals (CIN1) diagnostiziert, die positiv auf die HPV-Typen 16, 39 und 59 getestet wurden. Die Ergebnisse der zytologischen Untersuchung des Gebärmutterhalses waren bei den folgenden Untersuchungen jedoch negativ.
Bei den Jungen wurden auch keine Krankheiten diagnostiziert, die durch die im Impfstoff enthaltenen HPV-Typen bedingt waren. Dazu gehörten penile, perineale und perianale Krebsarten ebenso wie äußere Genitalwarzen. Allerdings ist der Impfstoff nicht für die Prävention derartiger HPV-bedingter Neoplasien zugelassen. Während der gesamten Studie wurden keine schwerwiegenden unerwünschten Ereignisse oder Todesfälle im Zusammenhang mit der Impfung gemeldet.
Den Autoren zufolge bestätigten die Daten das gute Risiko-Nutzen-Verhältnis der HPV-Impfstoffe. Schon frühere Real-World-Daten hätten gezeigt, dass nach Einführung der Impfung die HPV-Prävalenz und die Prävalenz der HPV-bedingten Erkrankungen für die in den Impfstoffen enthaltenen Virustypen abnahmen.
Daten speziell für Deutschland liefert aktuell das RKI. Es hatte in Kooperation mit der Berliner Charité in den Jahren 2010 bis 2011 eine populationsbasierte Basisstudie initiiert, die die HPV-Prävalenzen und -Genotyp-Verteilung erfasste. Sechs Jahre danach führte es die Folgestudie »HPV-Prävalenzstudie 2017/18« durch, um erstmals die HPV-Impfeffektivität abzusachätzen. Die Ergebnisse wurden nun im Fachjournal »Frontiers in Public Health« publiziert.
Dr. Anna Loenenbach vom RKI und Kollegen untersuchten in dieser Studie die HPV-DNA-Prävalenz, die Verteilung der Genotypen und die Wirksamkeit des HPV-Impfstoffs bei Frauen im Alter von 20 bis 25 Jahren. Von den 1200 Studienteilnehmerinnen hatte 62 Prozent mindestens eine Impfdosis eines der drei in der EU zugelassenen HPV-Impfstoffe erhalten. 28 Prozent waren gemäß den aktuellen Empfehlungen geimpft.
7 Prozent der Studienteilnehmerinnen wurden positiv auf HPV16 und 0,8 Prozent positiv auf HPV18 getestet. HPV6- und HPV11-Positivtests waren mit nur fünf und einem positiven Test selten.
Die bereinigte Wirksamkeit des Impfstoffs betrug 46,4 Prozent gegen eine HPV16/18-Infektion und 49,1 Prozent gegen eine Infektion mit mindestens einem HPV-Genotyp, der durch den tetravalenten HPV-Impfstoff abgedeckt war. Im Vergleich zu den Studienergebnissen von 2010 bis 2012 sank die HPV16/18-Prävalenz auch bei den ungeimpften Teilnehmerinnen von 22,5 Prozent auf 10,3 Prozent, was andeutet, dass die Impfung auch indirekte Effekte entwickelt.