Wirtschaft & Handel
Britische Apotheken verdienen heute mehr als jemals zuvor mit Artikeln
des Apothekenrandsortiments sowie mit verschreibungsfreien
Medikamenten. Dagegen werden rezeptpflichtige Arzneimittel zunehmend
zweitrangig, wenn es darum geht, Geld zu verdienen. Das geht aus einer
Untersuchung des Unternehmens ICC Business Publications in Hampton
hervor. Danach sinken die Gewinnspannen der unabhängigen Offizinen
weiter.
Laut ICC erzielen die rund 11 700 Apotheken in Großbritannien heute
durchschnittlich 70 Prozent ihres Umsatzes mit Rezepten des staatlichen britischen
Gesundheitsdienstes (National Health Service, NHS). Zum Vergleich: 1970 entfielen
lediglich 40 Prozent des Umsatzes auf NHS-Rezepte. Ganz anders sieht die
Situation aus, wenn man die Gewinnspannen von 1970 und 1995 vergleicht: 1970
kalkulierten die Apotheken laut ICC bei NHS-Verschreibungen mit einer
durchschnittlichen Gewinnspanne von 26 Prozent. Heute liegen sie bei rund 16
Prozent. Die Autoren gehen davon aus, daß sich die Ertragslage beim Beliefern von
NHS-Rezepten weiter verschlechtern wird (Privatrezepte spielen in Großbritannien
mit seinem staatlichen Gesundheitsdienst bis heute kaum eine Rolle).
Den Apothekern wird indirekt nahegelegt, sich nach neuen Möglichkeiten
umzusehen, Geld zu verdienen. "Der Produkt-Mix der Apotheken muß sich ändern",
so schreiben die Autoren. "Sonst kann es bald passieren, daß die Apotheken zwar
Rekordumsätze erzielen, dabei aber kein Geld mehr verdienen." Die Gewinnspannen
seien bei verschreibungsfreien Arzneimitteln und bei Artikeln des Randsortiments
aber innerhalb der vergangenen 25 Jahre stetig gestiegen.
1995 erzielte die durchschnittliche britische Apotheke laut ICC rund 16 Prozent
ihrer Umsätze mit verschreibungsfreien Medikamenten, sie tragen jedoch inzwischen
bis zu 45 Prozent zum Gewinn bei. Dazu zählen in Großbritannien außer Vitaminen
und Mineralstoffpräparaten auch viele Analgetika, dermatologische Produkte sowie
zahlreiche pflanzliche Arzneimittel. Die britische Arzneimittelbehörde (Medicines
Control Agency, MCA) verfolgt seit Jahren eine im Vergleich zu anderen
europäischen Staaten sehr liberale OTC-Zulassungspolitik. Rezeptpflichtige
Medikamente werden im Königreich relativ schnell und unkompliziert aus der
Verschreibungspflicht entlassen. Dieser Trend wird sich nach Auffassung von ICC
bis zum Ende des Jahrzehnts weiter fortsetzen. Dementsprechend beobachtet die
britische Apothekerschaft alle Versuche des Gesetzgebers mit Argwohn, die
Preisbindung für OTC-Produkte zu lockern.
Besonders britische Supermärkte versuchen, die Preisbindung zu unterlaufen.
Apotheker sehen darin eine Existenzbedrohung. Laut ICC haben die Apotheken
innerhalb der vergangenen zehn Jahre deutlich Umsätze an Supermärkte und
Drogeriemärkte verloren. Genaue Zahlen werden nicht genannt. Der Fremd- und
Mehrbesitz von Apotheken hat den Markt geprägt. "Wir rechnen damit, daß sich die
Umsatzzuwächse in den Apotheken bis zum Ende der 90er Jahre weiter
verlangsamen werden", heißt es bei ICC. Und: "Dagegen dürfte der
Pharmagroßhandel weiter starke Umsatzzuwächse erzielen."
Ertragslage hat sich verschlechtert
Insgesamt hat sich die Ertragslage im britischen Apothekensektor innerhalb der
vergangenen Jahre verschlechtert, urteilt ICC. "Dafür sind vor allem die
Supermärkte und die großen Einkaufszentren außerhalb der Städte verantwortlich."
Der Einzelhandel werde den britischen Apotheken auch in den kommenden Jahren
weiter Umsatzanteile abjagen. Das treffe die Apotheker deshalb besonders hart, da
die Supermärkte die (lukrativen) Produktgruppen der OTC-Arzneimittel, das
Apothekenrandsortiment und Kosmetika für sich entdeckt haben. ICC geht davon
aus, daß die Nettogewinnspannen der Apotheken bis zum Ende des Jahrzehnts auf
durchschnittlich 2,4 Prozent sinken werden.
Gemessen an den Investitionen (Return on Investment) werden Erträge im
Apothekensektor laut ICC ebenfalls weiter sinken. 1992 betrug die Quote laut
Studie noch 18,4 Prozent. Drei Jahre später waren es lediglich 13,9 Prozent. Eine
der wenigen Ausnahmen ist nach Angaben von ICC die Apothekenkette Boots. Die
Kette habe 1995 ein Return on Investment von durchschnittlich 31 Prozent erzielt.
PZ-Artikel von Arndt Striegler, London


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