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Licht am Ende des Tunnels

24.03.2003  00:00 Uhr
Bayer

Licht am Ende des Tunnels

von Peter Lessmann, Leverkusen

Das Urteil war Balsam auf die Wunden von Bayer-Chef Werner Wenning: Als die Geschworenen im texanischen Corpus Christi den Chemie- und Pharmakonzern im ersten US-Schadenersatzprozess um den Blutfettsenker Lipobay von aller Schuld frei sprachen, begann ein Kursfeuerwerk.

Die geschundene Bayer-Aktie schoss um rund 40 Prozent in die Höhe. Der Spruch der Jury war die erste positive Nachricht in der Lipobay-Affäre seit der Rücknahme des Medikaments im August 2001. An den Kapitalmärkten wurde die Klage in USA als ein Testfall für alle weiteren Prozesse in Sachen Lipobay angesehen. Insgesamt wurden bislang 8400 Klagen gegen den Bayer-Konzern mit der Begründung eingereicht, das Unternehmen habe nicht ausreichend über die Gefahren informiert. In den USA wird das Medikament unter dem Namen Baycol vertrieben.

Der umstrittene Cholesterinsenker wird mit dem Tod von rund 100 Menschen in Zusammenhang gebracht. Bayer hatte den Blockbuster Lipobay vor eineinhalb Jahren vom Markt genommen und damit eine der schwersten Krisen des Unternehmens ausgelöst. Nicht nur das Bayer-Image wurde angekratzt. Im Zuge der Umsatz- und Ergebnisausfälle in der Pharma-Sparte stürzte die Aktie tief in den Keller. Die Bayer-Aktionäre verloren mehr als zwei Drittel ihres Vermögens.

Im Zuge des Lipobay-Debakels wurde der Konzern umgekrempelt. Die vier Sparten (Chemie, Kunststoffe, Gesundheit, Landwirtschaft) erhielten als Tochterfirmen mehr Eigenständigkeit. Gleichzeitig begann eine intensive Partnersuche in der Pharma-Sparte, die bis heute nicht abgeschlossen ist.

Spekulationen

Vor einigen Wochen wurde in Medienberichten spekuliert, das Top-Management habe lange vor der Lipobay-Rücknahme von den Risiken des Medikaments gewusst. Solche Vorwürfe hat das Unternehmen stets entschieden zurückgewiesen. „Wir sind fest davon überzeugt, dass wir im Fall Lipobay/Baycol verantwortungsvoll und angemessen gehandelt haben“, betont Wenning. Doch die Ungewissheit über den Ausgang und die finanziellen Folgenkosten einer möglichen Prozesslawine drückten den Kurs weiter in den Keller.

Erst vor zwei Wochen hatte der Bayer-Chef bei der Bilanzvorlage eingeräumt, dass die Belastungen aus den Lipobay-Klagen den versicherten Bereich übersteigen könnten, sollten sich die Kläger in erheblichem Umfang durchsetzen. Doch diese Gefahr scheint jetzt gebannt. „Wir sind sehr zufrieden mit dem Urteil der Geschworenen“, sagt Bayer-Anwalt Philip Beck. Und Andreas Theisen von der WestLB Panmure prophezeit, dass sich die Zahl neuer Klagen verringern und die Vergleiche beschleunigen werden.

Auch wenn die Bayer-Aktie tags darauf ihre Vortagsgewinne in der Folge des Urteilsspruchs zum Teil wieder einbüßte, darf der Vorstand durchatmen. Ein Licht am Ende des Tunnels ist sichtbar. Die schlimmsten Szenarien, die einen Schaden von 10 Milliarden Euro aus der Lipobay-Affäre für möglich halten, seien vom Tisch, meint Pharma-Analyst Theisen.

Dennoch sollte der Urteilsspruch nicht überbewertet werden. Weitere Prozesse stehen noch an. Bayer setzt bei allen Lipobay-Klagen indes auf eine außergerichtliche Einigung. In rund 500 Fällen wurden bereits Vergleiche erzielt und eine Gesamtsumme von 140 Millionen Euro gezahlt.

 

Kommentar: Feuerwerk Die Freude mancher Anleger kennt keine Grenzen mehr. Ob seit Monaten arg gebeutelt von der andauernden Hausse der Kapitalmärkte oder gerade frisch eingestiegen mit dem Mut des Unbedarften – endlich freudige Momente.

Dank des amerikanischen Angriffs auf den Irak jagen die Kursnotierungen den alten Rekordmarken hinterher. Insgeheim freut sich so mancher über die Intervention in der Ferne. Die Freude dürfte kurz währen: Denn ein schnelles Ende des Krieges ist nicht in Sicht. Und deswegen werden die Kurse schon bald wieder bröckeln. Weder der Irak noch die Kriegsnation USA oder die friedliebenden Deutschen oder Franzosen haben zurzeit die Wirtschaftskraft oder Reserven, um anschließend das Land wieder aufzubauen. Neben dem bestialischen Gestank des Krieges, riecht es nach Rezession.

Deswegen sind Investitionen in Aktien riskanter denn je – von der moralischen Qualität derlei Aktionen ganz zu schweigen. Das macht jeder mit sich selbst aus. Natürlich wird es Gewinner geben, mancher Kleinaktionär wird darunter sein – und sehr viele große. Aber die Zahl der Verlierer ist ungleich größer. Und wiegt schwer wie Blei im Vergleich zum kurzen Moment der Freude.

Thomas Bellartz
Leiter der Hauptstadtredaktion

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