Wirtschaft & Handel
Unter dem Vorsitz des neuen Aufsichtsratsvorsitzenden Jürgen Funke
informierte die Sanacorp Pharmahandel AG am 15. Dezember 1997 in
Frankfurt am Main ihre Aktionäre erstmals in einer Hauptversammlung und
stellte sich den zahlreichen Fragen der Aktionärsvertreter - eine
Gepflogenheit, die seit Einführung des neuen Aktiengesetzes vor einigen
Jahren insbesondere für die Kleinaktionäre zunehmend Gewicht bekommt.
Der Kritik, etwa Informationsdefizite seit dem Börsengang im Jahr 1996,
wurde souverän mit "Besserung" gekontert.
Wie bereits in der Vertreterversammlung der Sanacorp eG am 22. November 1997
übte der Vorstandsvorsitzende Dr. Jürgen Brink harsche Kritik an der Unsitte, den
Arzneimittelmarkt wegen seiner Transparenz als beliebten Tummelplatz für
ausgedehnte Reformdiskussionen zu nutzen. Brink weiter: "Statt einer durchdachten,
sozial- und gesundheitspolitischen Gesamtkonzeption versucht man an allen Ecken
und Enden mit Flickschusterei immer neue Löcher im Finanzhaushalt der Kassen zu
stopfen. Wahrscheinlich kommt es erst dann zu einer ordnungskonformen
Strukturreform, wenn das System vollständig zusammengebrochen ist".
Klare Aussagen machte Brink zu folgenden derzeit diskutierten Punkten: Der
Versand von Arzneimitteln werde von der Sanacorp strikt abgelehnt, wegen "der
fehlenden Arzneimittelsicherheit und der massiven Wettbewerbsverzerrungen, die
sich bereits ankündigen", wie Brink darlegte. Gleichfalls abgelehnt würden die bereits
praktizierten Bonusmodelle, da dies unter dem Druck der ärztlichen
Einkommenssicherung unweigerlich auf Kosten der Versorgungsqualität gehe.
Anstatt zu notwendigen Arzneimitteltherapien komme es zudem zu
Mehreinweisungen in die Krankenhäuser, dem größten Kostenverursacher im
System. Akzeptiert werde von der Sanacorp das Konsensmodell zur Änderung der
Arzneimittelpreisverordnung.
Optimistisch gab sich Brink, was die langfristigen Marktaussichten anbelangt. Er
zitierte hierzu den führenden Theoretiker der langen "Kondratieff-Wellen", Leo A.
Nefiodow, der kürzlich den Gesundheitsmarkt als dem die Informationstechnologie
folgenden Wachstumsmotor der Weltwirtschaft bestätigte. Er werde den nächsten
globalen Aufschwung tragen.
Strategie: Europäische Gruppierung apothekernaher Großhandlungen
Auskunft wünschten Aktionärsvertreter zu Meldungen in der Presse, wonach
Sanacorp eine Fusion mit dem Pharmagroßhandel Anzag erwäge, beziehungsweise
die Anzag-Anteile an die britische Unichem verkaufen wolle. Brink bezeichnete
diese Überlegungen schlicht als "Quatsch", solche Spekulationen entbehrten jeder
Grundlage. Europastrategie sei vielmehr eine Holdingkonzeption von mehrheitlich
Apothekern gehörenden Pharmagroßhandlungen. Die Bildung einer solchen
Gruppierung sei mühsam und dauere länger als ein Takeover. Als potentielle
Teilnehmer nannte Brink neben Sanacorp und Anzag aus Deutschland, die Nummer
1 im österreichischen Pharmagroßhandel Herba und die OPG in den Niederlanden.
Unichem und die französische Alliance Santé verfolgten andere Ziele. Der Vorstand
gehe daher nicht davon aus, daß diese Teil der Gruppierung werden könnten. Ziel
der Holding sei die Förderung des freien Apothekerberufsstands.
Zu Tagesordnungspunkt 5 der Hauptversammlung, "Beschlußfassung über die
Ermächtigung des Vorstands zur Ausgabe von Wandelschuldverschreibungen..."
hatten allein die Vorzugsaktionäre ihr Votum abzugeben, nachdem die
Apothekeneigner der Sanacorp eG diesem Punkt bereits am 22. November
zugestimmt hatten. Der Vorschlag wurde auch in Frankfurt mit großer Mehrheit
angenommen. Danach können Sanacorp-Führungskräfte ab Februar 1998 innerhalb
von fünf Jahren 1,3 Millionen DM bedingtes Kapital durch die Begebung von
Wandelschuldverschreibungen zeichnen. Diese können erst dann in Vorzugsaktien
umgewandelt werden, wenn deren Kurs sich besser entwickelt hat als CDAX. Wie
mit dem Angebot von Belegschafts-Vorzugsaktien, das 848 Mitarbeiter genutzt
haben, soll durch die Schuldverschreibung das Engagement der Mitarbeiter
gefördert werden.
PZ-Artikel von Erdmuthe Arnold, Frankfurt

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