dm scheitert auch in Österreich |
29.11.2004 00:00 Uhr |
Nachdem ihr Vorstoß, apothekenpflichtige Arzneimittel in den hauseigenen Filialen zu verkaufen, in Deutschland vorerst gescheitert zu sein scheint, versuchte die Drogeriekette dm jetzt dieselbe Strategie auch in Österreich – und kassierte eine weitere Abfuhr.
Sachkenntnis und Differenzierungsvermögen kann man Kommerzialrat Günter Bauer in der aktuellen Diskussion um eine Lockerung der Apothekenpflicht nicht unterstellen. Seine vor wenigen Wochen im „Wirtschaftsmagazin“ platzierte Absichtserklärung, mit den hauseigenen Drogeriemärkten in den heimischen Arzneimittelhandel einzusteigen, untermauert der österreichische dm-Chef seitdem mit ungewöhnlichen medizinischen und gesundheitsökonomischen Fehleinschätzungen. So sei der Gebrauch von Arzneimitteln wie Aspirin, Wick und Nasivin „mittlerweile Alltag“, verkündete der 60-jährige Firmengründer intuitiv.
Kennt man solcherlei bemerkenswerte Bewertungen im Hinterkopf, überrascht auch das Bauersche Postulat nicht, wonach der Verkauf apothekenpflichtiger Arzneimittel in dm-Drogeriemärkten zu einer „enormen Entlastung der Sozialversicherungen“ beitragen könne. Um den gesamtgesellschaftlichen Beitrag sachgemäß zu leisten, will das Unternehmen übrigens seine Mitarbeiter speziell zum Thema schulen lassen. Dies ist auch deswegen erstaunlich, weil der dm-Chef ansonsten keinerlei Zweifel an der hinreichenden Qualifikation seiner Angestellten aufkommen lässt: „Drogisten bringen mit ihrer fundierten Ausbildung im Bereich der Heilpflanzenkunde sowie in organischer und anorganischer Chemie die besten Voraussetzungen für eine fundierte Beratung der Kunden mit.“
Apotheken haben festen Stand
In Anbetracht der wenig fundierten Aussagen sowie angesichts eines komplett fehlenden Zeit- oder gar Geschäftsplans für den angekündigten Einstieg ins anscheinend selig machende Arzneimittelgeschäft überrascht das Ausmaß der Wogen, die Bauers Kampagne aufgewühlt hat. „Sollte die deutsche Drogeriemarktkette ihre Ankündigung, in Österreich rezeptfreie Medikamente zu verkaufen, tatsächlich wahr machen, werden wir sofort einschreiten", ließ der Vizepräsident und Wirtschaftssprecher der Österreichischen Apothekerkammer, Leopold Schmudermaier, umgehend wissen. Die niederösterreichische Landesrätin und Verbraucherschützerin Christa Kranzl verwies auf die Notwendigkeit einer qualifizierten Beratung und lobte die Apotheken für ihre Arbeit. „Arzneien dürfen ausschließlich in Apotheken vertrieben werden“, bestätigte schließlich auch ein Sprecher des Gesundheitsministeriums mit der expliziten Ankündigung, jeden diesbezüglichen Gesetzesbruch zu ahnden.
Die in der Branche ausgelöste Unruhe lässt sich vielleicht verstehen, wenn man die weite Verbreitung des potenziellen Konkurrenten berücksichtigt. Denn während sich in Deutschland der zugunsten einer einzelnen dm-Filiale verlagerte Arzneimittelumsatz rein rechnerisch auf 30 Apotheken verteilen würde, kommt in Österreich bereits auf jede vierte Apotheke ein Markt der Drogistikkette. Angesichts des erklärten Ziels, sich mittels Arzneimittelgeschäft im härter werdenden Wettbewerb der Drogerieketten profilieren zu wollen, dürften im Falle einer Zulassung obendrein die eigentlichen Mitbewerber rasch nachziehen.
Doch noch haben die knapp 1200 öffentlichen Apotheken in der Alpenrepublik einen festen Stand. Erst vor wenigen Wochen hatte Gesundheitsministerin Maria Rauch-Kallat dem Versandhandel mit Arzneimitteln eine klare Absage erteilt. Entsprechend zuversichtlich und selbstbewusst geben sich daher die berufsständischen Vertreter: „Ich empfehle Herrn Bauer auch für die Zukunft, sich lieber um aktuelle Farben seines Lippenstiftsortiments zu kümmern als um Arzneimittel, von denen er keine Ahnung hat“, stichelte der Präsident der Salzburger Apothekerkammer, Dr. Friedemann Bachleitner-Hofmann.
Seinen deutschen Kollegen kann Bauer für deren einstweilige Niederlage
zumindest in Österreich also keine Genugtuung verschaffen. Für weitere
Vorstöße kommen nun noch die italienischen und die osteuropäischen
Dependancen des Drogistikkonzerns in Frage.
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