Wirtschaft & Handel
Mit einem Aufwand von zehn Millionen DM hat Hoechst Marion
Roussel (HMR), die Pharmagesellschaft der Hoechst AG, in Martinsried
bei München ein Zentrum für Angewandte Genomforschung errichtet. Am
20. Oktober wurde es im Beisein von Bundesforschungsminister Jürgen
Rüttgers und Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber eingeweiht.
Der Aufbau des Genomforschungszentrums in Martinsried zähle zu den wichtigsten
Zielen der Unternehmensstrategie; Hoechst Marion Roussell werde damit weiterhin
zu den Pionieren der Biotechnologie gehören, sagte Dr. Frank Douglas vom
Forschungsvorstand. Das Zentrum vor den Toren Münchens soll eng mit dem
amerikanischen Genomzentrum in Cambridge/Massachusetts zusammenarbeiten und
zugleich die Expertise der beiden kalifornischen Kooperationspartner Incyte und
Lynx einbeziehen.
Aufgabe der Genomforschungszentren ist es, aus der Fülle der etwa 50.000 Gene
einer Zelle die krankheitsrelevanten Gene herauszufiltern. Der Biochemiker
Professor Dr. Norbert Riedel, verantwortlich für die Biotechnologieforschung bei
HMR, sprach von einem Paradigmenwechsel: Statt mit der Analyse und dem
Studium einzelner Gene beschäftigt sich die Genomforschung mit der Gesamtheit der
Genexpression in einem Krankheitsstadium. Funktionelle Genomforschung
identifiziert die Gene, die wichtige Zielstrukturen für die Arzneimittelfindung und die
therapeutische Intervention darstellen. Die Forscher sprechen von validierten
Targets. In Martinsried arbeiten sie mit niederen Modellorganismen und
Wirbeltieren. In der Hefe sollen Targets aufgespürt werden, um schwere
Candida-albicans-Infektionen zu bekämpfen; der Nematode C. elegans dient der
Erforschung von ZNS-Erkrankungen wie Morbus Alzheimer, und das Genom des
Zebrabärblings gilt als Modell für bestimmte Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Das Zentrum mit 15 bis 20 Mitarbeitern befindet sich in unmittelbarer Nähe zum
Max-Planck-Institut für Biochemie, dem Klinikum Großhadern, dem Innovations-
und Gründerzentrum, dem Genzentrum der Universität München sowie mehreren
Biotech-Firmen. Gemeinsam mit den noch im Bau befindlichen Universitätsinstituten
für Pharmazie, Chemie und Biologie soll hier ein europaweit führender Campus der
Biowissenschaften entstehen, erklärte Ministerpräsident Stoiber beim Rundgang
durch die Labors. Bereits heute befinde sich ein Fünftel der biotechnologisch
orientierten Arbeitsplätze in und um München. Die Einweihung betrachtet er als
großen Schritt auf dem Weg der Landeshauptstadt zum Spitzen-Biotech-Standort
Deutschlands und Europas, aber auch als Bestätigung der bayerischen Politik, die
mit erheblichen Beträgen das Modell BioRegio Bayern fördert.
Die Biotechnologie sei zweifellos eine Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts mit
glänzenden Wachstumschancen, sagte der Forschungsminister. Er setzt auf
Aufklärung: "Das beste Mittel gegen Angst sind klare Informationen." Achtzig
Prozent der Bevölkerung akzeptierten inzwischen die Gentechnik in der Medizin.
Rüttgers befürwortete nachdrücklich, daß in Martinsried Grundlagen- mit
angewandter Genomforschung verknüpft werden soll.
PZ-Artikel von Brigitte M. Gensthaler, München

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