Denkfehler |
08.08.2005 00:00 Uhr |
Der BKK-Bundesverband hat Einkaufsvorteile der Generikahersteller an die Apotheken kritisiert. Dabei sind Rabatte der Motor für die starke Verbreitung von Generika.
Wolfgang Schmeinck hatte vielleicht nicht seinen besten Tag erwischt. Seit Monaten hatte er sich zurückgehalten, wenn es um die angeblich überraschenden Steigerungsraten im Arzneimittelsektor gegangen war. Doch bei der Pressekonferenz des BKK-Bundesverbandes am Dienstag dieser Woche änderte sich die Zielrichtung. Die Kritik Schmeincks an den Einkaufsvorteilen der Apotheken sind erheblich. Grund genug, um die Fakten zu prüfen.
Einkaufsvorteile
Wenn es um Rabatte geht, dann wird Schmeinck wissen, wovon er spricht. Denn die Kassen gelten in der Apothekerschaft auf der Seite der Partner als echte »Rabattkönige«. So kassiert die durchschnittliche Krankenkasse pro abgegebenem rezeptpflichtigen Arzneimittel 2 Euro Rabatt. Angesichts von 8,10 Euro Fixzuschlag des Apothekers, der dank des Rabatts auf 6,10 Euro sinkt, nicht gerade wenig. Doch Schmeinck will mehr: Er möchte, dass auch dieser Rabatt höher ausfällt. Die Gegenleistung der Kasse ist bekanntlich überschaubar: Sie bezahlt nicht nur pünktlich, sondern auch einigermaßen zügig. In guten Geschäftsbeziehungen kommt man sich sofortige Zahlung vorausgesetzt mit 2 oder 3 Prozent Skonto entgegen. Damit ist die Kasse nicht zufrieden. Sie bekommt einen vergleichsweise galaktischen Rabatt. Das wird öffentlich gerne vernachlässigt und zeigt, dass die Beziehung zwischen Kasse und Apotheken mitunter keine «normale« Geschäftsbeziehung ist.
Ansonsten verhält es sich bei den Apotheken wie bei anderen Klein- und Kleinstbetrieben: Im Rahmen von Geschäftsbeziehungen werden zwecks Optimierung der Kostenseite dort, wo es möglich ist, Einkaufsvorteile ermittelt und dann auch gehoben. Diesen Rabatten stehen vielfältige Leistungen gegenüber, die sich längst nicht in der Abgabe eines bestimmten Arzneimittels erschöpfen, sondern insbesondere auch in dessen Platzierung (Category Management), der Schaufenstergestaltung, Lagerhaltung, Lieferung et cetera.
Generikarabatte
Attackiert wurden am Dienstag die Rabattgewährungen der Generikahersteller. Die verschiedensten Spielarten der Rabattgewährung von eins plus eins über eins plus zwei bis hin zu eins plus drei wurden debattiert. Doch der Frage, warum Generikahersteller überhaupt Rabatte geben, wurde nicht nachgegangen. Denn die gern gegebene Antwort, wonach die stark rabattierten Produkte von den Apothekern eins zu eins an den Patienten abgegeben werden, ist falsch. Würden Apotheker konsequent die Aut-idem-Regelung nutzen, um bestimmte Präparate bestimmter Firmen in den Markt zu bringen, wäre nicht nur das Verhältnis zum Patienten, sondern auch das zum Arzt gefährdet. Im übrigen, schließen nicht wenige Ärzte die Substitution immer noch und fortwährend aus. Wie will die Kasse im Umkehrschluss dort verfahren?
Dank der Rabatte und auch wegen eines scharfen Wettbewerbs innerhalb der mittlerweile überschaubaren Gemeinde der deutschen Generikaproduzenten gehört Deutschland seit Jahren international zur Spitzengruppe der Länder mit der höchsten Verbreitungsquote von Generika. Experten haben dies nicht nur auf das Marketing, sondern auch auf die gewährten Einkaufsvorteile zurückgeführt. Die ergeben also durchaus Sinn.
Die hohe Generikaquote ihrerseits sorgt dafür, dass die Krankenkassen jährlich im Milliardenbereich Einsparungen generieren. Sollten die Apotheken tatsächlich Einkaufsvorteile in Höhe von 500 Millionen Euro oder gar einer Milliarde Euro, wie Schmeinck vermutete, verbuchen, dann würde dies der Gesetzlichen Krankenversicherung im übrigen nicht direkt schaden. Denn nicht die GKV zahlt für die Rabatte, sondern der Hersteller, der diese in seinem eigenen Konzern, ob im In- oder Ausland, erwirtschaften muss. Die deutsche jedenfalls Generikadichte kam bisher durch einen intensiven Wettbewerb zustande. Dies wird sich angesichts zahlreicher Patentabläufe weiterhin so entwickeln.
Rabattverträge
Schmeinck betonte am Dienstag, den Krankenkassen seien die Hände gebunden in Bezug auf Rabattvereinbarungen mit Herstellern. Die Barmer Ersatztkasse (BEK), ein Mitbewerber der Betriebskrankenkassen um die Gunst der Krankenversicherten, hat auch Schmeinck vorgemacht, wie es gehen kann. So hat die BEK mit den großen Generikaherstellern und mittlerweile auch mit kleineren Rabattverträge über bestimmte Präparate getroffen. Diese Rabattvereinbarungen sind auch volumenabhängig und sollen nach Angeben der BEK bis zu 10 Prozent Rabatt ermöglichen. Darüber sind nicht alle Apothekerinnen und Apotheker glücklich. Sie befürchten, die betriebswirtschaftlich wichtigen Einkaufsvorteile zu verlieren.
Nun will also Schmeinck die Aut-idem-Regel abschaffen. Was sind die ökonomischen Folgen für die Beteiligten? Werden deswegen weniger Generika verordnet oder mehr? Die Antwort darauf wird das Pharmamarketing geben. Immerhin wirft Schmeinck den Apothekern nicht vor, sie würden qualitativ schlecht substituieren. Es geht ihm darum, eine Scheibe vom Brot der Apotheken abzubekommen. Die Aut-idem-Attacke könnte deswegen ins Leere laufen, weil Kassen Ärzte bislang noch nie in Regress genommen haben. Und das ist in diesem Zusammenhang sehr wichtig: Werden Ärzte genau wissen, welches Präparat wann zu den günstigen zählt? Und wie sollen Ärzte belohnt oder vergütet werden, wenn sie sich um diese Fragestellung kümmern? Von der Kasse oder vielleicht doch vom Hersteller? Und wenn das dann kein Einkaufsvorteil sein wird, was ist es dann?
Marktentwicklung
Der deutsche Generikamarkt ist also beileibe nicht so statisch, wie ihn
der BKK-Bundesverband beschrieben hat. Im Gegenteil: Innerhalb des Marktes
gibt es einen heftigen Wettbewerb nicht nur um Marktanteile, sondern
auch um diejenigen Umsatzanteile, die sich zusätzlich erschließen lassen.
Wenn der Arzneimittelmarkt insgesamt wächst, dann bedeutet dies auch, dass
das Volumen des Generikamarktes zunimmt. Und damit sparen die Kassen, ohne
dass sie etwas dafür tun müssen.
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