Wirtschaft & Handel
Etwa
15 Millionen Menschen in Deutschland nehmen Arzneimittel
von Novartis. Wachstum durch Innovation hat sich der aus
der Fusion der Ciba und Sandoz entstandene Pharma-Riese
auf die Fahnen geschrieben. 74 Arzneistoffe sind derzeit
in Phase I bis III der Entwicklung. Über zwanzig neue
Produkte will Novartis Pharma in den nächsten drei
Jahren auf den Markt bringen.
Seit dem 1. Februar existiert die deutsche
Tochter des Gesamtkonzerns mit Sitz in Basel: Zu ihrer
ersten Pressekonferenz lud die Novartis Pharma GmbH in
die neuen Gebäude in Nürnberg ein. An diesem Standort
werden Verwaltung, Forschung und Marketing konzentriert.
Die Produktion der festen und halbfesten Arzneiformen
wird von Nürnberg nach Wehr umziehen.
Grundlagenforschung wird in den USA und der Schweiz,
teilweise auch in Japan, Großbritannien und in Wien
betrieben. In Deutschland finden vor allem Phase II bis
IV-Studien statt, erklärt Dr. Helmut Wolf, Leiter
Medizin. Zwei Milliarden Schweizer Franken investiert
Novartis jährlich in Forschung und Entwicklung.
Wolf erläuterte einige Schwerpunkte: "Wir arbeiten
intensiv an neuen Ansätzen zur Verminderung der
Resistenz von Tumorzellen gegen Chemotherapeutika und
suchen nach neuen Möglichkeiten der Gen- und
Zelltherapie für Hirntumoren, Leukämie und Aids."
Gentherapie bei Hirntumoren
Das multifiorme Glioblastom ist der häufigste und
aggressivste Hirntumor; er führt in der Regel innerhalb
eines Jahres zum Tod. Resektion, Strahlen- und
Chemotherapie helfen nur sehr begrenzt. Der neue Ansatz:
Die gentechnische Veränderung der Tumorzellen soll diese
gegenüber Ganciclovir sensibilisieren. Dabei schleusen
Viren als Vektoren das Thymidinkinase-(TK)-Gen in sich
teilende Zellen ein.
Die Viren können nicht gut in den menschlichen
Organismus übertragen werden. Daher werden nach Entnahme
des operativ entfernten Tumorgewebes Virus-infizierte
Trägerzellen in die Wand der Operationshöhle
eingebracht. Diese Zellen produzieren nun laufend neue
Viren, die die Tumorzellen mit dem fremden
Thymidinkinase-Gen infizieren können.
Nach zwei Wochen, bekommt der Patient intravenös
Ganciclovir. Der Antimetabolit wird intrazellulär durch
die virale Thymidinkinase phosphoryliert; das letztlich
(durch weitere Kinasen) resultierende Triphosphat wird
als Baustein in die neu synthetisierte DNA eingebaut und
unterbricht schließlich die DNA-Synthese. Das
Virustatikum wirkt somit toxisch in den Zellen, die das
TK-Gen tragen. Ein ähnlicher Ansatz ist laut Wolf auch
bei Leukämie oder Aids denkbar.
Transplantatabstoßung besser unterdrücken
An das umsatzstärkste Novartis-Produkt, das aus der
Sandoz-Forschung stammende Ciclosporin (Sandimmun),
knüpfen weitere Aktivitäten an. Bereits in Phase III
befindet sich ein monoklonaler Antikörper, der aus der
variablen Region eines Anti-CD25-Antikörpers der Maus
und der konstanten Region eines humanen
Immunglobulin-(Ig)-G1 zusammengesetzt ist. SDZ CHI 621
blockiert die Bindung von Interleukin-2 an T-Zellen. Bei
nierentransplantierten Patienten, die den Antikörper
(geplanter Handelsname Simulect) zusätzlich zur
immunsuppressiven Therapie erhielten, nahmen die
Abstoßungsreaktionen deutlich ab.
Der neue Arzneistoff SDZ RAD kann möglicherweise auch
eine beginnende Transplantat-Abstoßung aufhalten, sagte
Wolf. Das Rapamycin-Derivat hemmt die Vermehrung von
T-Zellen und glatten Muskelzellen und beeinflußt somit
Gefäßveränderungen, die an der chronischen Schädigung
des neuen Organs beteiligt sind. Rapamycin zusätzlich
zur Ciclosporin-Standardtherapie konnte in ersten
amerikanischen Studien die Inzidenz von
Abstoßungsreaktionen auf unter zehn Prozent senken.
PZ-Artikel von Brigitte M. Gensthaler, Nürnberg.
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