Einzelapotheken sind besser als die Kette |
16.05.2005 00:00 Uhr |
Seit Jahren steht der Frankfurter Pharmagroßhändler Andreae Noris Zahn AG (Anzag) wegen des Übernahmebegehrens der Sanacorp im Blickpunkt. Über die aktuelle Geschäftslage und die Entwicklung des Unternehmens sprach die PZ mit Vorstandschef Dr. Thomas Trümper und Vivesco-Geschäftsführer Armin Hirth.
PZ: Wie geht es der Anzag?
Trümper: Uns geht es grundsätzlich nicht schlecht; allerdings ist die Lage leicht angespannt.
PZ: Wie kommt das?
Trümper: Wir haben mit Blick auf das Geschäftsjahr angekündigt, das Ergebnis des Vorjahres wieder erreichen wollen. Aber das dürfte wegen des anhaltenden Konditionenwettbewerbs schwierig werden.
PZ: Welchen Wettbewerb meinen Sie?
Trümper: Dieser Wettbewerb zwischen den Pharmagroßhändlern beruht einmal mehr nicht auf betriebswirtschaftlichen Zusammenhängen. Auslöser hierfür war die Angst der Apotheken vor den aufziehenden Veränderungen. Dabei haben sich viele Gruppen gebildet jenseits der Kooperationen. Zwischen drei und 120 Apotheken haben sich zu ganz lockeren Gruppierungen zusammengeschlossen.
PZ: Das ist aber an sich nichts Unübliches.
Trümper: Stimmt. Im Marktgeschehen ist dies normal. Aber aus Sicht eines Pharmagroßhändlers gestaltet sich dies nicht wie eine normale Win-win-Situation, dass also sowohl die einzelne Apotheke als auch der Großhändler profitiert.
PZ: Worin liegt Ihr Problem?
Trümper: Wie gesagt: Die Gruppenbildung ist nichts Schlechtes. Aber beide Seiten haben nur dann etwas davon, wenn nicht nur gemeinsam günstige Konditionen abgefragt werden, sondern sich auch auf der logistischen Seite etwas tut; beispielsweise durch zentrale Belieferung der Gruppe oder Ähnliches. Auf lange Sicht sollten sich die Apotheken nicht ihres wichtigsten Partners berauben.
PZ: Sie fühlen sich reduziert auf die reine Logistikfunktion?
Trümper: So weit ist es nicht. Aber wir sollten nicht vergessen, wie wichtig auch der Pharmagroßhandel für die Arzneimittelsicherheit ist. Zudem: Eine einzelne Apotheke kann nicht genügend Medikamente vorrätig halten. Wir sind ihr verlängertes Warenlager, der Puffer zwischen Apotheker und Hersteller in vielerlei Hinsicht.
PZ: Tragen die Kooperationen an der von Ihnen beklagten Entwicklung eine Mitschuld?
Trümper: Nein, das sehe ich nicht. Die Kooperationen haben daran keine Schuld.
PZ: Ist es nicht wichtig, dass sich Apotheken nach neuen Möglichkeiten umschauen, sich fortlaufend orientieren?
Trümper: Uns eint alle, dass wir der Ansicht sind, dass sich die Apotheken wandeln werden und müssen. Für manche Einzelapotheke ist das aber nicht möglich. Sie braucht auf lange Sicht Partner. Immer mehr fachfremde Berater und Unternehmen drängen in den Markt und setzen die Apotheken teilweise aufs falsche Pferd. Das ist ein Problem, mit dem nicht nur der Großhandel, sondern auch Apotheken sowie Kammern und Verbände kämpfen.
PZ: Welche Stärken können Apotheken betonen?
Trümper: Ich setze auf die Qualifizierung der Apotheken. In der Zusammenarbeit mit vielen anderen liegen Vorteile, die gehoben werden sollten.
Hirth: Wir analysieren den Markt intensiv, betreiben beispielsweise Marktforschung und stellen die Ergebnisse und Erfahrungen dann den Apotheken zur Verfügung. Eine einzelne Apotheke kann das gewiss nicht leisten. Im Verbund mit anderen erschließen sich da neue Möglichkeiten. Unser Ziel ist es, Know-how in die Apotheke zu bringen.
PZ: Welchen Einfluss nimmt die europäische Entwicklung auf ihr Geschäft?
Trümper: Man erkennt, dass die deutsche Wirtschaft stagniert und es sieht nicht so aus, dass uns ein zweites Wirtschaftswunder blühen wird. Bei Stagnation muss man sich nach neuen Geschäftsfeldern und Märkten umschauen und auf die Suche gehen, wo man Geld verdienen kann. Ein logischer Schritt ist es, sich dann auch in diesen Märkten zu betätigen.
PZ: Das tun Sie bereits in Kroatien.
Trümper: Unser Ansatz ist es, strategische Partnerschaften einzugehen. Wir wollen und werden keine Beteiligungen kaufen und die dann in einer Auslandsabteilung managen.
PZ: Und Sie bringen ihr Know-how in die Entwicklung der Partnerschaft mit ein?
Trümper: Das beruht auf Gegenseitigkeit. Unsere Partner in Kroatien arbeiten auf höchstem Niveau.
PZ: In welchem Land werden Sie die nächste Partnerschaft eingehen?
Trümper: Wir führen natürlich laufend Gespräche, haben aber keinen konkreten Zeithorizont.
PZ: Insbesondere in Nordrhein-Westfalen droht der Anzag wie auch den anderen Großhändlern ein noch intensiverer Wettbewerb. Wie sehen Sie die Situation dort?
Trümper: Der Markt in NRW war schon immer heiß umkämpft und schwierig. Man sollte aber nicht vergessen, dass das insgesamt der am stärksten wachsende Markt war. Bislang jedenfalls ist die Lage dort noch nicht dramatisch.
PZ: Die Anzag kompensiert die Verluste aus dem intensiven Wettbewerb durch die Kooperation Vivesco. Wie gestaltet sich dort die Lage?
Trümper: Zunächst möchte ich eines klarstellen: Es gibt einige, die fürchten, Kooperationen seien die Wegbereiter für den Fremdbesitz und dass sie die Diskussion dazu fördern. Ich glaube, dass die Debatte aber an sich schädlich ist. Erinnern wir uns an den Versandhandel. Den haben wir erst groß gemacht, indem wir ihn permanent thematisiert haben. Ich halte es für politisch unklug, in der Öffentlichkeit eine Diskussion um Kooperationen zu führen. Ich bedauere es, dass Kooperationen durch einige Beteiligte im Markt in Bausch und Bogen verurteilt werden. Anzag und Vivesco eint dasselbe Ziel, nämlich den selbstständigen Apotheker stärken zu wollen.
PZ: Sie sind überzeugt, dass die Apotheke Vorteile gegenüber den großen Ketten hat?
Trümper: Natürlich. Die Vorteile sind enorm, auch wenn dies in unserer Zeit, in der man sich zu schnell auf Zahlen und Beitragssatzpunkte reduziert, aber nicht über Qualität und Versorgung spricht, nur schwer zur Kenntnis nimmt.
PZ: Ist es nicht kritisch, dass Großhändler Kooperationen steuern und damit auch die Geschicke der Apotheken bestimmen.
Trümper: Richtig ist natürlich, dass wir die Kooperationen steuern. Aber bei Vivesco haben wir beispielsweise einen Beirat aus Apothekerinnen und Apothekern, der einen wesentlichen Anteil an der Linie von Vivesco hat. Da gibt es sehr aktive Apotheker und auch Erfa-Gruppen, die von uns mehr Aktionen fordern.
Hirth: Der Gesetzgeber wird versuchen, immer möglichst viel Geld aus dem GKV-Segment abzuschöpfen. Die Apotheker werden deswegen immer mehr Einnahmen aus dem nicht rezeptpflichtigen Bereich holen müssen. Diesen Wandel können wir gemeinsam positiv gestalten.
PZ: Die Vertragslandschaft verändert sich. Verhandeln Sie mit Krankenkassen?
Trümper: Die Krankenkassen reden mit uns, aber wir gehen nicht aktiv auf die Kassen zu.
Hirth: Es gibt aber im Moment keine Notwendigkeit, irgendetwas mit den Krankenkassen abzuschließen. Es gibt verschiedene interessante Bereiche, beispielsweise die medizinischen Versorgungszentren. Aber wir wissen heute noch nicht, wie sich das entwickelt.
PZ: Aber Sie sind vorbereitet?
Trümper: Natürlich. Die Versorgungslandschaft wird sich ändern und wir wollen bei den Gesprächen dabei sein. Zum jetzigen Zeitpunkt wollen die Krankenkassen nur wissen, wer wir sind, was wir machen und was wir leisten können.
PZ: Alles bleibt in Bewegung?
Trümper: Genau so ist es. Und wir sind mittendrin und bemüht,
uns richtig so positionieren. Aber, wie gesagt, an der Seite und zur
Stärkung der Apotheken. Ohne Wenn und Aber.
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