Wirtschaft & Handel

Die Zeiten sind längst vorbei, in denen der pharmazeutische Außendienst
im Praxisalltag der Ärzte als gern gesehene Abwechslung willkommen war
und sich die Produktbotschaften meist auf Wirksamkeit von
Einzelprodukten bezogen. Die Aufgaben und das Selbstverständnis der
Außendienstmitarbeiter hat sich gewandelt, damit auch die Anforderungen
an seine Kompetenzen und die seiner Vorgesetzten. Neue Mitarbeiter holt
sich beispielsweise SmithKline Beecham (SB) am liebsten "frisch von der
Universität und nicht von anderen Unternehmen".
Apotheker Dr. Hans-Jürgen Bruer, Geschäftsführer Vertrieb von der deutschen SB
Pharma, der seit 1975 in der pharmazeutischen Industrie in verschiedenen
Funktionen tätig ist, berichtete von dem Wandel "vom Produktspezialisten zum
Kundenspezialisten" auf der zweiten Euroforum Pharma-Jahrestagung in Frankfurt
am Main. Der Wandel erfolgte zunächst kaum wahrnehmbar, dann kaum mehr
unübersehbar und war aufgrund der politischen Weichenstellungen und dem
"Seehofer Crash" ab 1993 unumkehrbar. Damals versagten die Ärzte
vorübergehend eine Zusammenarbeit. Gefragt waren neue Visionen hin zur
Kundenorientierung.
Bei den Ärzten waren nicht mehr die Vertriebskriterien des Unternehmens gefragt,
wie das bloße Arzneimittel, wie Firmenmehrwert, regionaler Produktspezialist,
Produktverliebtheit, Einzelkämpfer und Pinpointverantwortung. An ihre Stelle
rückten bei SB Pills plus" - um die Packungshardware war eine Software zu
stricken. Wichtig wurden nun Kundenmehrwert, regionaler Kundenspezialist,
Produktflexibilität und Teamarbeit.
Und der Wandel hält an, wie Bruer konstatierte. Zwar stehen die Qualität und
Innovation der Arzneimittel nach wie vor im Mittelpunkt des Vertriebsmanagements.
Doch verlangten also die Ärzte, Apotheker, Leistungserbringer mehr als nur das
Arzneimittel. Es muß heutzutage im adäquaten Preis/Leistungsverhältnis stehen und
von ganzheitlichen Anwendungs- und Gebrauchsanweisungen begleitet sein. Es gilt
immer wieder, die Kunden zu fragen, was im Rahmen einer ständigen
Prozeßverbesserung verändert werden soll, um den Grad der Veränderung und den
angemessenen Zeitraum hierfür festzulegen. Ohne einen solchen Rahmen und eine
anspruchsvolle Unternehmenskultur würde man schnell in alte Verhältnisse
zurückfallen.
SB überprüft jedes Jahr den Außendienst anderer Firmen, um die
Unterscheidungsmerkmale für den eigenen Außendienst herauszuarbeiten. Wichtig ist
die Pflege der persönlichen Beziehung zum Kunden, ohne ihn in den Würgegriff zu
nehmen. Denn immer deutlicher merkt das Unternehmen den Druck der Ärzte,
denen aufgrund des hohen Wettbewerbs auf dem Arzneimittelsektor der
Geduldsfaden zu reißen droht. Bei SB wurde daher ein Kundennetzwerk aufgebaut,
mit neuen, vom Kunden gewünschten Angeboten. Selbstkritisch hinterfragt wird bei
der weltweit tätigen SB, was die Kundenbindung behindern oder was sie
unterstützen kann. Hierzu wird auch ein Vergleich der anderen Länder
herangezogen.
Amigoverhältnisse ziehen nicht mehr
Die deutsche Hoechst Marion Roussel (HMR), Bad Soden, hat bei den Ärzten
nachgefragt, wie der Arzt den Pharmaaußendienst sieht. Diplomchemiker Dr. Horst
Reim, Leiter der HMR-Geschäftseinheit Infektiologie/Gastroenterologie, präsentierte
das Ergebnis: 75 Prozent der Ärzte sehen im Pharmaaußendienst vor allem einen
Informationsträger, 42 Prozent einen Berater und 28 Prozent einen Partner. Nach
Aussagen der Ärzte ist die Qualität der Außendienstmitarbeiter besser geworden
und 69,9 Prozent nehmen Firmenangebote an, ohne sich dadurch verpflichtet zu
fühlen. Die Zeiten des Amigomarketings seien vorbei, so Reim. An Bedeutung
gewinnen Fortbildungsveranstaltungen , Schulungen für Arzthelferinnen, Schulungen
zu neuen Präparaten, auch werden Forschungsergebnisse der Firma gewünscht.
An Stelle der Amigoverhältnisse tritt ein Praxismanagement in Partnerschaft: Eine
zielgenaue Dienstleistung soll die Bewerbung eines guten Präparats unterstützen. Der
Besuch der Ärzte erfolgt nach Verordnungswahrscheinlichkeit, auch um den
Marketing- und Vertriebsaufwand zu reduzieren. Hierzu hat man bei HMR eine
Charakterisierung sämtlicher Arzttypen im Ankreuzverfahren entwickelt, das
erkennen läßt, ob der Arbeits- und Kostenaufwand lohnt, einen Arztkunden
aufzusuchen.
PZ-Artikel von Erdmuthe Arnold, Frankfurt am Main


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